zum Hauptinhalt

Meinung: „Den Liberalen in den Kopf schießen“

Irgendwie haben sie ihn vermisst, diesen Andrzej Lepper. Als am Montagabend die polnischen TV-Sendungen mit der Top-Meldung „Lepper wicepremierem“ aufmachten, da konnten sich selbst junge, kosmopolitische Polen an den Monitoren von Warschaus Metrostationen ein Grinsen nicht verkneifen.

Irgendwie haben sie ihn vermisst, diesen Andrzej Lepper. Als am Montagabend die polnischen TV-Sendungen mit der Top-Meldung „Lepper wicepremierem“ aufmachten, da konnten sich selbst junge, kosmopolitische Polen an den Monitoren von Warschaus Metrostationen ein Grinsen nicht verkneifen. Jetzt ist er also wieder Vizepremier, der Führer der kleinbäuerlichen Sammlungsbewegung Samoobrona (Selbstverteidigung) – vier Wochen, nach dem der Linkspopulist seine Entlassung im Streit um den Haushalt provoziert und die nationalkonservative Regierung von Ministerpräsident Jaroslaw Kaczynski an den Rand des Abgrunds gebracht hatte.

Wer die Faszination dieses Mannes auf die polnische Wählerschaft ergründen will, der findet keine deutschen Vorbilder. Andrzej Lepper ist eine typische Nachwende- Erscheinung. 1954 im pommerschen Stowiecin geboren, gründete der redegewandte Ex-LPG-Leiter 1992 die Samoobrona. 2001 gelang ihm der Durchbruch, als die Partei bei den Wahlen mit 10,2 Prozent der Stimmen ins Parlament einzog. Der Ex-Boxer und „Ritter der blauen Veilchen“, wie die „Zeit“ ihn einmal nannte, steht für die große, katholische Bauernschaft wie kein Zweiter. Vor dem EU-Beitritt befürchtete er den Ausverkauf der Landwirtschaft, kassierte über 100 Ermittlungsverfahren wegen Verleumdung und Gewaltanwendung. Heute gibt er sich geläutert, seit in Polen die EU-Landwirtschaftsmilliarden fließen, darunter auch an den eigenen Hof.

Was die Wähler an ihm so schätzen, ist seine große Klappe und sein dreistes Auftreten gegenüber dem Establishment, vor allem gegenüber den Repräsentanten der verhassten „Dritten Republik“ – jenen aus der freiheitlichen Solidarnosc-Bewegung, die 1989 am Runden Tisch mit den Postkommunisten den Übergang in die Demokratie organisierten. Das hat er gemeinsam mit der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) der Brüder Kaczynski, und das brachte ihn wohl wieder zurück in die Koalition mit der PiS und der nationalistischen LPR, die alle gemeinsam nur eine Stimme von der absoluten Mehrheit entfernt sind.

Für Lepper hat sich die Rebellion vor den Kommunalwahlen im November gelohnt. Gescheitert ist dagegen die PiS-Strategie, Leppers Partei mittels Stimmenabkauf zu zerstören. Stattdessen schmierte die PiS in den Umfragen zuletzt so sehr ab, dass Lepper den Preis für die Wiederbeteiligung an der Regierung genüsslich hochtreiben konnte.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false