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Die Anwohner freuen sich über den Denkmalschutz für den Ernst-Thälmann-Park.

© Thilo Rückeis

Denkmalschutz für Plattenbauten: Mehr als nur Ostalgie

Denkmalschutz für Plattenbauten: Das ergibt durchaus Sinn, meint unser Autor Ralf Schönball. So wie gerade im Fall des Ernst-Thälmann-Parks in Prenzlauer Berg geschehen. Doch der Fall darf nicht zum Vorbild werden.

Auch das noch. Plattenbauten vom Typ „WBS70“ – diesem banalsten aller Standards der gleichmacherischen Parteiendiktatur Marke „Hauptstadt der DDR“ – werden unter Schutz gestellt. Ja geht’s noch? So mag denken, wer 25 Jahre nach der friedlichen Revolution und dem Fall der Mauer immer noch die alten Reflexe hat. Wer aber Abstand gewonnen hat und sich bei Lichte den Thälmann-Park besieht, der erlebt diesen wohligen Schauer der Entfremdung, der uns bei Reisen in andere Zeiten und Kulturen ergreifen mag. Dann blitzen beim West-Berliner Erinnerungen auf: an Transit und Zwangsumtausch, an befrackte ironiefreie Kellner und schummrigen gelben Nebel, der oft über dieser fremden Stadthälfte lag, von dem ich nicht wusste, ob er nun von den Straßenlaternen kam, von Kohleöfen oder Trabbis.

Erinnerung ist ein Stück Kulturleistung, egal wie sie im Einzelfall gefärbt ist. Jene, um die herum Mauern gezogen wurden, mögen je nach Nähe oder Distanz zum autoritären DDR-Regime ihr jeweils eigenes Verhältnis zur Vergangenheit haben. Wer deshalb aber die Bezugnahme auf Geschichte auf „Ostalgie“ reduziert, verkennt deren Kraft für die Zukunft.

So besehen handelt es sich beim Ensemble um den Thälmann-Park im besten Sinne um ein Symptom: An dem muss sich abarbeiten, wer seinen Frieden mit der Geschichte noch nicht gemacht hat. Am Gutachten der Denkmalpfleger gibt es nichts zu kritteln: Als „Mustersiedlung der DDR“ muss diese gebaute Groteske aus staatlichem Größenwahn samt kleinbürgerlichen Freiräumen („Milch-Eis-Bar“!) unbedingt in die Geschichte eingehen.

Besorgniserregend ist der Fall aus einem anderen Grund: Fast schon über Nacht tauchte das Gutachten auf und überraschte sogar den Bezirksstadtrat. Der wichtigste Grundstückseigentümer wurde offensichtlich gar nicht weiter unterrichtet. Geht so handstreichartige Stadtentwicklungspolitik mit dem Denkmalschutz als wichtigstes Kampfmittel?

Das ließe Böses ahnen. Senatsbaudirektorin Regula Lüscher gab im vergangenen Jahr ein Gutachten über den Denkmalwert von Plattenbauten rund um den Alexanderplatz in Auftrag. Sollen dort sogar die TLG-Platten geschützt werden, obwohl die so gar nichts mehr mit DDR-Architektur zu tun haben seitdem sie dick in Styropor eingepackt wurden?

Aus „blinder Sammelwut“, warnte Nietzsche in seinem Aufsatz über die Geschichtsschreibung, verehre der moderne Mensch alles Alte – weil es ihm an Kraft zur Gestaltung von Neuem fehle. Ein Wort, das trefflich die Stadtentwicklung in Berlin beschreibt. Man drückt sich vor Debatten und Entscheidungen dazu, wie es weitergehen soll in Mitte und baut den Denkmalschützer zur allmächtigen Instanz auf: Der Wind der Geschichte bläht dessen breiten Rockschöße auf – und gibt eine hübsche Tarnkappe ab für richtungslose Politik.

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