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Die sogenannte "TLG"-Platte.

© Kai-Uwe Heinrich

Denkmalschutz in Berlin: Schrecken statt Schönheit

Berlin bleibt Pjöngjang. Weil der Denkmalschutz in der Stadt die Herausforderungen lebendiger Stadtentwicklung mit den Archiven eines historischen Museums verwechselt

Hier geht es um viel. Um die neue Mitte Berlins, um das Gesicht der Hauptstadt. Berlin hat gewiss viele Subzentren, viele eigene Mitten, Kieze, Quartiere. Aber die verlängerte Meile vom Brandenburger Tor hin zum zweiten Wahrzeichen, dem Fernsehturm, ist eben doch noch etwas Besonderes. Das rührt an die historische Identität der deutschen Metropole. An Vergangenheit und Zukunft.

Nun wollen etliche Berliner Denkmalschützer die zu DDR-Zeiten nach brachialen Kahlschlägen ab den 60er Jahren errichteten Plattenbauklötze entlang der Straßenzüge des Alexanderplatz-Areals erhalten. Ein Stück zentrale Stadtwüste, für immer bewahrt.

Man muss sich das einmal vorstellen: Da reißt man unweit entfernt den symbolträchtigen „Palast der Republik“ knallfall ab, baut dort mit enormer landesweiter Debattenbegleitung an der Hülle eines Hohenzollernschlosses, beschwört ein globales „Humboldt-Forum“ mitsamt altgriechisch-neudeutscher „Agora“ – und träumt dahinter und daneben auch von einer teilweisen Rekonstruktion der im Krieg und Nachkrieg versunkenen frühbarocken oder gar mittelalterlichen Altstadt Berlins. Als Schauplatz eines neuen stadtbürgerlichen Gefühls.

Wer aber irgendwann einmal vorbeiflaniert am künftigen Schloss und an der noch originalen, tatsächlich mittelalterlichen Marienkirche, der prallt dann unweit, ginge es nach jenen Denkmalschützern, auf den abartig monströsen Riegel der so genannten TLG-Plattenbauten. Was Unter den Linden als Mitte der Hauptstadt beginnt, würde so für alle Zeit enden: in Pjöngjang. So sähe es aus.

Berlin bleibt Pjöngjang. Zumindest im Rücken des Alexanderplatzes. Das konserviert die Ideen der berühmten Stadtplaner Walter Ulbricht und Erich Honecker auch für künftige Generationen. Warum? Weil sich inzwischen Fraktionen des Denkmalschutzes als Verwalter einer Ideologie verstehen, die sich nicht zuvörderst der Erhaltung baukünstlerisch herausragender Architektur widmet, sondern jedweden Zeitgeist, und sei er auch der einer Diktatur und in Zement gegossene Menschenverachtung, als Dokument bewahren will. Diese Haltung verwechselt die Herausforderungen lebendiger Stadtentwicklung mit den Archiven eines historischen Museums.

Natürlich soll man mit den Resten der Mauer oder an Orten wie der ehemaligen Stasizentrale an die DDR-Vergangenheit eindrücklich erinnern. Aber man braucht darum nicht in ganzen Innnenstadtbereichen vorsätzlich die Zukunft zu verbauen. Wer hier Protest einlegt, muss noch kein unbedingter Anhänger der für den Berliner Alexanderplatz seit über 80 Jahren erträumten Hochhäuser sein, die große Architekten immer mal wieder vorgeschlagen haben. Von Mies van der Rohe einst bis Hans Kollhoff heute. Gewiss richtig ist es auch, rund um den Alexanderplatz Solitäre wie das „Haus des Lehrers“ als Baudenkmäler zu schützen.

Doch würden am östlichen Eingang (oder Ausgang) der Berliner Stadtmitte alle kühneren, formschöneren, menschenfreundlicheren Entwürfe künftig blockiert und das architektonische Elend verewigt, hieße das: Die Stadtbürger von heute und morgen weiter für die Bausünden der Vergangenheit büßen zu lassen. Schiller hatte einst über die „Ästhetische Erziehung des Menschen“ geschrieben. Er meinte die Menschheit. So weit muss man jetzt nicht gehen. Aber etwas Grundlegendes wie einen Schönheitssinn der Berliner Politiker, Denkmalschützer und Stadtentwickler zu wecken, das tut not.

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