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Meinung: Der Bundeswehretat: Taktiker in der Abwehrschlacht

Armer Rudolf Scharping! In den nächsten Wochen fällt die Entscheidung über den Bundeswehr-Haushalt 2002 - und schon jagen sie ihn wieder alle, den Verteidigungsminister.

Von Robert Birnbaum

Armer Rudolf Scharping! In den nächsten Wochen fällt die Entscheidung über den Bundeswehr-Haushalt 2002 - und schon jagen sie ihn wieder alle, den Verteidigungsminister.

Der Finanzminister Eichel pocht ostentativ auf strikte Haushaltsdisziplin, die Haushälter des Parlaments klopfen lautstark den Takt dazu - die rot-grünen noch viel lautstärker als die der Opposition. Alle mäkeln sie an seiner Bundeswehr-Reform herum. Und im eigenen Hause kursieren Zahlenkolonnen, die unter dem Strich alle ergeben: Das Geld reicht vorne und hinten nicht.

Armer Rudolf Scharping also? So pauschal wird man das nicht sagen können. Tatsächlich klafft im Wehretat ab 2002 und für die kommenden mindestens fünf Jahre zwischen der Finanz- und der militärischen Planung eine Lücke von jährlich zwei bis drei Milliarden Mark. Sie resultiert im Kern daraus, dass die Reform der Bundeswehr eingeleitet ist, sich aber im Wortsinne noch nicht auszahlt. Größere Einsparungen verzeichnen die Etatverwalter bislang nicht, die Erlöse aus Grundstücks- und Geräteverkäufen tröpfeln nur. Zugleich fordert ab nächstem Jahr der Umbau seinen Tribut in Gestalt steigender Investitionen in Ausrüstung, Personal und Großgerät wie das geplante Transportflugzeug.

Nun öffnet sich diese Schere keineswegs überraschend. Scharping und sein Chef-Planer, der Generalinspekteur Kujat, haben von Anfang an gewusst, dass ihr Etat ab 2002 in eine Krise geraten wird. Sie haben die Krise nicht nur in Kauf genommen, sondern geradezu gesucht. Unter normalen Umständen - so offenkundig das Kalkül - wird eine rot-grüne Regierung den Wehretat nicht aufstocken, auch nicht durch die Hintertür. Aber im Vor-Wahljahr, spätestens im Wahljahr sind die Umstände nicht mehr normal. Der Wunsch nach Ruhe an der Front, so die Hoffnung, lässt Sparvorsätze zweitrangig erscheinen.

Es ist keineswegs ausgemacht, dass dieses Kalkül nicht aufgeht. Die von den Spar-Kommissaren einerseits, den Militärs andererseits aufgebauten Drohkulissen sind nichts weiter als eben Kulissen, hinter denen der wahre Kuhhandel längst im Gange ist. Wenn sich die Akteure an das Drehbuch der vergangenen Jahre halten, steht am Ende eine per Kanzler-Machtwort beglaubigte Lösung, mit der sich die Truppe wieder ein Jahr lang irgendwie durchwursteln kann.

Selbst dann bleibt aber das Problem, dass Scharpings Bundeswehrreform nicht ehrlich kalkuliert ist. Das hat Folgen. Zum einen vergraulen der Minister und seine uniformierten Helfer durch das alljährliche Wehgeschrei, mit dem sie dem Ruf nach mehr Geld Plausibilität zu verleihen versuchen, jene Leute, die sie für die Armee der Zukunft brauchen. Warum soll sich ein junger Mensch für eine Karriere in einer Firma entscheiden, die ihre höchsten Repräsentanten regelmäßig als schrottreif hinstellen?

Zum Zweiten aber delegitimiert der ständige Mangel das ganze Konzept. Je lauter die Hardthöhe nach mehr Geld ruft, desto lauter schallen Gegenfragen zurück: Warum fällt euch das jetzt erst ein? Und: Wofür braucht ihr das? Hier rächt sich ein weiteres Versäumnis. Scharping hat seine Planungen stets nur sehr allgemein sicherheitspolitisch begründet. Die Debatte über Sinn und Unsinn der neuen Strukturen wurde, weil aktuell eher störend, in geschlossene Expertenzirkel verlagert. Darum wird die Reform öffentlich vor allem als Rationalisierungsmaßnahme wahrgenommen. Darum stößt der Ruf nach mehr Geld auf so wenig Verständnis: Weil ihn wirklich nur wenige verstehen.

Diese Wahrnehmung aber birgt den Kern des Scheiterns in sich. Mit jeder neuen Haushaltskrise wird an Scharpings Reform lauter die Frage gestellt werden, ob sie die richtige war. Schon rufen die Grünen wieder nach Abschaffung der Wehrpflicht. Schon holen andere Kritiker das radikalere Konzept der Weizsäcker-Kommission wieder aus dem Archiv. Im Grunde hat der Kanzler nur die Wahl, sich voll hinter Scharping zu stellen - mit allen finanziellen Folgen - oder den Minister fallen zu lassen. Wahrscheinlich wird Schröder weder das eine noch das andere tun, und die Hängepartie geht so weiter. Armer Rudolf Scharping! Vor allem aber: Arme Bundeswehr!

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