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Meinung: Der dekorierte Verbrecher

Dolly-Schöpfer Ian Wilmut bekam den Paul-Ehrlich-Preis. Der Streit ums Klonen geht weiter

Das geklonte Schaf Dolly war vermutlich die größte wissenschaftliche Sensation der letzten zehn Jahre. Erstmals gelang, was bis dahin niemand für möglich gehalten hatte: die Uhr des Lebens zurückzudrehen. Denn Dollys Erbgut entstammte der Körperzelle eines erwachsenen Tieres, aus Alt wurde Jung gemacht. Dieser Durchbruch eröffnete wissenschaftliche und medizinische Horizonte und ergab reichlich Stoff für Hollywoods Drehbuchautoren – Klone allenthalben. Deshalb kann niemand ernsthaft in Frage stellen, dass der Schotte Ian Wilmut, der Mann hinter Dolly, den Paul-Ehrlich-Preis und damit die angesehenste deutsche Medizinehrung verdient hat. Eher schon könnte man die Jury mangelnder Originalität zeihen. Wer, wenn nicht Wilmut?

Trotzdem hat die Verleihung des mit 100 000 Euro dotierten Preises gestern in Frankfurt am Main auch Proteste hervorgerufen. Der Grund dürften weniger Wilmuts wissenschaftliche Verdienste als seine neuen Vorhaben sein. Der Forscher will „therapeutisch klonen“. Er hat vor, mit der Dolly-Technik Stammzellen aus menschlichen Embryonen zu züchten.

Mit den Stammzellen will Wilmut das Nervenleiden Amyotrophe Lateralsklerose untersuchen. Diese Forschung ist in Deutschland verboten, weil dazu Embryonen zu Forschungszwecken erzeugt werden. Bei uns würde Wilmut dafür als Verbrecher bestraft.

Dem Vorwurf, mit dem Preisgeld aus deutschen Steuermitteln hier zu Lande untersagte Forschung zu betreiben, hat der Tierarzt zwar vorgebeugt, indem er betonte, das Preisgeld nicht für Klonversuche am Menschen einzusetzen. Aber seine Kritiker wird das nicht besänftigen, werfen sie ihm doch vor, menschliches Leben zu Forschungszwecken zu vernichten. „Embryonen sind Menschen von Anfang an und als solche zu behandeln“, hat der katholische Bischof Gebhard Fürst dazu festgestellt.

Man kann in der Wertung von Wilmuts geplanten Versuchen auch anderer Meinung sein. Denn es gibt Argumente dafür, einen frühen menschlichen Embryo von wenigen Tagen Alter ethisch einen anderen Status zu geben als einem acht Monate alten Fetus oder einem geborenen Menschen. Und es gibt auf der anderen Seite das Gewicht der Forschung, die sich zum Ziel gesetzt hat, bei der Heilung schwerer Krankheiten mitzuhelfen. Aus dem Labyrinth der Argumente für und wider therapeutisches Klonen und Stammzellforschung führen zwei Wege heraus: der deutsche Verbots- oder der britische Erlaubnisweg – letzterer unter strengen Auflagen. Welche Seite der anderen überlegen ist, mag jeder für sich entscheiden.

Wilmut selbst hat eindringlich und frühzeitig davor gewarnt, Menschen zu klonen. Es ist traurig, dass dieses eigentlich vorhandene gemeinsame bioethische Fundament bei den Klonberatungen der Vereinten Nationen nicht zementiert werden konnte. Zwar setzten sich die Befürworter eines absoluten Klonverbots vor einer Woche in einer UN-Deklaration durch. Aber der Preis war hoch: 84 Staaten stimmten dafür, reproduktives Menschenklonen ebenso wie das therapeutische Klonen zu medizinischen Zwecken zu verbieten, 71 Nationen waren dagegen oder enthielten sich. Das denkbare gemeinsame politische Signal der Weltgemeinschaft, das Kopieren von Menschen zu verbieten, wurde verschenkt. Das Klonen spaltet also weiter – nicht nur Briten und Deutsche, sondern den ganzen Globus.

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