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Finanzminister in Nöten. Keine neuen Steuern und keine neuen Schulden – das war das Kernversprechen von CDU und CSU im Wahlkampf.

© dpa

Der erste Haushalt der großen Koalition: An der Ein-Prozent-Hürde gescheitert

Die Haushälter der großen Koalition machen sich die Welt, wie sie ihnen gefällt. Um falsche Wahlversprechen nicht zu brechen, wird die Realität mal eben angepasst.

Von Lutz Haverkamp

Ein ganzes Prozent hätten die Haushälter von Union und SPD einsparen müssen, um ihr Ziel, ein ehrliches Ziel, zu erreichen. Drei von 300 Milliarden Euro – ein Prozent. Sie sind kläglich gescheitert. Und feiern sich auch noch dafür: „Wir haben uns als echte Haushälter erwiesen“, tönt der CDU-Politiker Norbert Barthle. Es ist der blanke Hohn.

Wieder einmal hat die Politik ihren Gestaltungsanspruch aufgegeben. Statt eine solide Bestandsaufnahme von Einnahmen und Ausgaben durchzurechnen, wird in die finanzpolitische Trickkiste gegriffen. Nach dem rustikalen Motto pfuschender Bauarbeiter – „Was nicht passt, wird passend gemacht“ – werden höhere Steuereinnahmen und geringere Zinsen für die 1,3 Billionen Euro hohe Bundesschuld unterstellt. Das ist vermutlich nicht einmal ganz falsch, bleibt aber trotzdem Pfusch.

6,5 Milliarden Euro – neue – Schulden macht die große Koalition im nächsten Jahr. Ein zusätzliches Loch von drei bis vier Milliarden Euro haben die Haushälter mit ihren Tricksereien jetzt oberflächlich geschlossen. Warum, so fragt sich der zu Recht verärgerte Steuerzahler, kann und will Politik nicht mehr erreichen?

Weil der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, den mutlosen Politikern mit seiner Niedrigzinspolitik zufällig zu Hilfe kommt. Weil die Haushälter eine unsichere Wette eingehen, indem sie eine noch besser laufende Konjunktur vorhersagen, als das eh schon der Fall sein soll. Weil für dieses Haushaltsjahr geplante Rüstungsausgaben durch ungeplante Verzögerungen ersteinmal gar nicht fällig werden. Weil die Politiker aus CDU, CSU und SPD keine Ideen für die Zukunft haben. Weil sich die regierungstragenden Parteien im Wahlkampf in abstrusen Wahlversprechen verzettelt haben, die es ihnen nicht mehr erlauben, über eine moderne, sozial ausgerichtete Steuerpolitik nachzudenken. Weil die Haushaltsexperten keine Experten sind, sondern sich von äußerlichen Gegebenheiten – wie der Zinspolitik der EZB – lenken lassen, auf die sie keinen Einfluss haben. Weil die Politik keinen Mut, keinen Durchsetzungswillen findet, um den Besitzstandswahrern, Lobbyisten und Partikularinteressenvertretern endlich die Stirn zu bieten. Weil die deutsche Politik es sich genauso bequem macht wie die in Italien oder Frankreich, wo durchgreifende Reformen auch gerne verschoben werden.

Stattdessen wird mit der schwarzen Null ein alles zukleisternder Werbefeldzug unternommen. Denn im nächsten Jahr ist finanzpolitischer D-Day – ein Haushalt ohne neue Schulden. Hurra!

Vielleicht geht’s aber auch schief. Weil die EZB plötzlich die Zinsen erhöht, weil die Konjunktur ein bisschen stottert, weil das Wahlversprechen der vermurksten Rentenreform überraschend etwas mehr kostet, weil die europäische Schuldenkrise doch noch reale Geldströme nach sich zieht. Es wird sich schon etwas finden lassen. Wichtig dabei ist nur, dass die Haushaltsexperten sagen können: „Das war nicht abzusehen. Wir sind unschuldig.“

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