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Der Fall Guttenberg: Von oben herab

Sieben Landtagswahlen stehen bevor. Darin wird geurteilt über die Konsistenz der politischen Vorstellungen, aber auch der gesellschaftlichen. Moralität und politische Gesittung gehören dazu, erst recht bei denen, die sagen, sie seien wertegebunden.

Was muss dieser Herr für ein Demokratieverständnis haben! Das konstitutive Element der Presse- und Meinungsfreiheit, 1832 auf dem Hambacher Fest das Thema, heute der Stolz einer Bürgergesellschaft, so demonstrativ gering zu schätzen, wie er das mit Bedacht tat – dazu gehört, ja, was? Die falsche Einstellung, zum Staat, zur Sache, zu sich selbst. Die Rede ist, wieder einmal, von Karl-Theodor zu Guttenberg.

Er will, buchstäblich, Herr des Verfahrens bleiben, in apodiktischer Manier. Er bestimmt, wem er welche Auskunft nicht gibt. Er wählt sie aus, wie es ihm gefällt. Und das sind wenige. Geistesadel zeigt das gerade nicht. Noblesse oblige? Nie gehört, ganz offenkundig. Sonst bevorzugt er immer den großen Auftritt, die große Geste. Am besten sind es Millionen, vor denen er sich erklärt, verklären lässt. Aber im Fernsehen kann auch nur einer fragen.

Der Minister hat nicht nur mal eben so einen kleinen Fehler gemacht. Eine immer größer werdende Schar von Suchern im Internet findet eine immer größere Anzahl von Gründen dafür, seine Doktorarbeit für ein Plagiat zu halten. Wo aber andere für kleinste Verfehlungen ihren Titel, den Doktortitel, verlieren, siehe dazu Gerichtsurteile von 2008 bis 2010, will er sich davonstehlen. Wenig Zeit, viel Arbeit, die Familie, seine Verantwortung für Deutschland. Guttenberg redet in hohem Ton, es klingt von oben herab. Dabei geht es um den Vorwurf, dass er betrogen haben könnte. Demut ist aus seinen Worten nicht zu hören, eine Entschuldigung klingt anders. Canossa ist kein Ort für ihn.

Dabei wäre das seine Chance, womöglich seine einzige. Einen reuigen Sünder nimmt die Gesellschaft gerne wieder auf. Die Käßmanns, die Özdemirs – wo Menschen (vergleichsweise gering) gefehlt haben, ist das Verzeihen nicht weit, zu Recht. Denn wer ohne Fehl ist, der werfe den ersten Stein. Unmenschliches, Übermenschliches soll niemand verlangen. Aber Einsicht, ehrliche, ist die Voraussetzung. Guttenbergs Arbeit ist nicht das Werk von wenigen Tagen, das sagt er selbst, sondern von Jahren. Da kann man auf die Idee kommen, dass jemand Sorgfalt walten lässt. Und er ist einer, von dem jetzt für Abertausende Menschen, die ihm anvertraut sind, für die er Verantwortung hat, besondere Sorgfalt erwartet wird.

Einen solchen Fall hatte noch keine Bundesregierung. Kein Zimmermann, kein Lambsdorff, kein Schäuble, keiner dieser Vorfälle ist annähernd vergleichbar. Was, wenn sich herausstellt, dass Guttenberg die Schuld in diesem Fall tragen muss? Hält die Regierung ihn dann weiter für tragbar? Schreibt Guttenberg ihr die Haltung vor? Wird er also das zukünftige Maß? Wofür ist er dann Vorbild?

Anzeigen und Klagen von Betroffenen würden dagegen die Folge sein, wenn für ihn ein anderes Maß gälte als für alle anderen. Tag für Tag würde der Verteidigungsminister sich weiterer Vorwürfe erwehren müssen. Dabei sagt er doch selbst, dass er anderes zu tun hat. Man kann auch sagen: dass das Land auf anderes einen Anspruch hat.

Sieben Landtagswahlen stehen bevor. Darin wird geurteilt über die Konsistenz der politischen Vorstellungen, aber auch der gesellschaftlichen. Moralität und politische Gesittung gehören dazu, erst recht bei denen, die sagen, sie seien wertegebunden. Welchen Wert hat für diese Bundesregierung die Wahrhaftigkeit? Darüber wird die Presse berichten, sie wird sich ihr Recht von keinem nehmen lassen, und die Bürger werden sich ihre Meinung bilden. Wenn Guttenberg im Urteil bestehen sollte, dann wäre auch das Demokratie. Zu seinem Glück.

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