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Dreieinhalb Jahre Haft: Wie es jetzt weitergeht für den Präsidenten des FC Bayern München ist ungewiss.

© dpa

Der Fall Uli Hoeneß: Der Bigboss und seine XXL-Hinterziehung

Schwerverbrecher, Witzfigur, Sündenbock oder bedauertes Opfer - die Öffentlichkeit hat für Uli Hoeneß viele neue Gesichter gefunden. Für unseren Autor wird ihm jedoch keine dieser Rollen gerecht.

Jeder Strafprozess gehorcht denselben Gesetzen, und doch hat jedes Verfahren eigene. Eine Woche verdrängte die Anklage gegen den früheren Welt- und Europameister, Präsidenten und Aufsichtsratschef eines alle überragenden Vereins, den einst jüngsten Bundesliga-Manager der Republik, Erfinder des deutschen Fußball-Merchandising und erfolgreichen Wurstfabrikanten alle anderen Themen. Wieder ein Prominenter als Vorgeführter auf der Bühne der Justiz, freigegeben für Spott und Bestrafungsfantasien wie für pathetisches Mitleid von Fans und Funktionären. Hoeneß als Schwerverbrecher, Witzfigur, Sündenbock, bedauertes Opfer. Solche Zuschreibungen scheinen uns wichtig zu sein. Und doch wird ihm keine Rolle gerecht.

Hoeneß als Täter eines Allerweltsdelikts- im Großformat

Uli Hoeneß ist nunmehr dies: verurteilter Täter eines Allerweltsdelikts. Besonders daran ist lediglich das Format von beidem. Der Bigboss und die XXL-Hinterziehung. Ein Meistermacher und Mustermann, der neben vielem auch zur Moralpredigt befähigt ist, hat laut seinem Urteil in einem Maß gefehlt, dass es für ihn im Gefängnis enden muss. Gewiss ebenso eine Tragödie wie Anlass, dem Ex-Vorbild die Leviten zu lesen. Aber mehr als die alte Einsicht, dass der Aufprall mit der Fallhöhe härter und die Zahl der Zuschauer größer wird, gibt es daraus nicht zu gewinnen.

Steuerhinterziehung: Nebenbeidelikt trifft auf Nulltoleranz

Neu ist vielmehr die Empfindlichkeit, mit der das Publikum auf Täter wie ihn reagiert. Die Steuerhinterziehung, ehedem ein Nebenbeidelikt Gutbetuchter, trifft in anderen Milieus auf Nulltoleranz. Nur Neid? Es gibt ein gewachsenes Verteilungsempfinden, belegt durch Debatten um Hartz IV, Mindestlohn, Managergehälter. Gestiegen zu sein scheint auch der Anteil von Bürgern, die ihre Steuererklärung mit anderen Gefühlen ausfüllen, als damit Zeit und Geld zu verschwenden. Wer zahlt, übernimmt Verantwortung. Wer kneift, nicht. Und weil Demokratie aus mehr als der Teilnahme am Wahlakt besteht, wird man unduldsam, sich politische Lehrstunden von Leuten erteilen zu lassen, die das nicht verstehen wollen.

Uli Hoeneß hat den öffentlichen Unmut selbst gesteigert

Es sollte sich damit erübrigen, die Tat in der vorliegenden Dimension als „Sünde“ zu verbrämen, die weggebeichtet werden kann. Hoeneß hat den Unmut gegen sich gesteigert, indem er seinen Fall kleinredete und sich als Opfer einer Sucht beschrieb. Seine Selbstanzeige, die ihm nichts brachte und dem Staat nun Millionen bringt, dokumentiert keine Reue, sondern Panik vor Entdeckung. Der einzige Grund jedoch, dieses viel umstrittene Instrument abzuschaffen, wäre, wenn der Bundesgerichtshof sie in der vorliegenden offenbar völlig unzureichenden Form doch noch akzeptieren würde. Und das erwartet niemand, nur Hoeneß, der die Geschichte von seiner Spontanerweckung zur Steuerehrlichkeit womöglich durchhalten muss, um nicht neben der Achtung der anderen auch die vor sich selbst zu verlieren.

FC Bayern: Ein Herz für Resozialisierungsfälle

Die Bayern spielen in einer anderen Liga. Tun sie dies auch moralisch, werden sich Verein und AG künftig von einem Strafgefangenen beaufsichtigen lassen, schließlich wäre Hoeneß ein Kandidat für den offenen Vollzug. Letztlich ist es egal. Den Zeitpunkt für die Trennung haben alle verpasst, und die Bayern haben ein Herz für Sozial- und Resozialisierungsfälle, zuletzt erwiesen am gelernten Abwehrspieler Breno. Es bleibt letztlich die klassische Frage: Warum nur hat Hoeneß das getan? Wie es aussieht, ist dem Vielbegabten der Erfolg seines Vereins einfach öde geworden. Er sprach ja selbst davon, er brauchte einen neuen „Kick“. Damit steht er nicht allein.

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