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Helfen auf freiwilliger Basis - und gegen einen kleinen Obolus.

© dpa

Der freiwillige Dienst: Tue Gutes und hab was davon

Wenn die zurzeit 90.000 Zivildienstleistenden einfach ersatzlos nach Hause gingen, würde Leben eine Dimension der Mitmenschlichkeit verlieren. Der Freiwilligendienst ist sinnvoll und notwendig - doch dem Modell von Ministerin Schröder fehlt es an Substanz.

Das Wort hat 24 Buchstaben, also fast genauso viele wie das ganze Alphabet, und wenn man die Erwartungen und Hoffnungen der Politik im Blick auf den geplanten „Bundesfreiwilligendienst“ liest, könnte man glauben, er solle tatsächlich auch so etwas wie das Alpha und Omega, das A und O des Ausdrucks gesamtgesellschaftlicher Verantwortung sein. Wenn man dann noch weiß, dass den gleichen Nutzen bislang der eher bescheiden daherkommende Zivildienst geleistet hat, wird man nachdenklich. Besonders bedeutungsschwangere Begriffe werden immer dann verwendet, wenn die beeindruckende Verpackung über den eher schwindsüchtigen Inhalt hinwegtäuschen soll.

Die Einführung des „Bundesfreiwilligendienstes“ im nächsten Jahr kommt nicht, um, wie es die zuständige Ministerin Kristina Schröder ausdrückte, „eine neue Kultur der Freiwilligkeit“ zu fördern, sondern weil mit der Aussetzung der Wehrpflicht auch der Zivildienst entfallen wird. Wenn die zurzeit 90 000 Zivildienstleistenden nach Hause gehen, wird die Versorgung in vielen Alten- und Pflegeheimen, in sozialen Institutionen und Kindergärten zusammenbrechen. Was einst als Wehrdienstersatz für vermeintliche Drückeberger ersonnen worden war, hat sich längst, von allen anerkannt, zu einer ganz eigenen Schule fürs Leben entwickelt. Hier sind junge Menschen mit der Hilflosigkeit von Dementen genauso konfrontiert worden wie mit der Hilfsbedürftigkeit von Behinderten. Sie haben gelernt, Kranke zu pflegen, Kinder zu trösten und Alten die Einsamkeit zu nehmen.

Entfiele das künftig alles, würde unser auf Leistung getrimmtes Leben eine Dimension der Mitmenschlichkeit, eine Bewusstseinserweiterung, verlieren. Den Zivildienst nicht ersatzlos zu streichen, sondern durch einen freiwilligen Dienst an der Gemeinschaft zu ersetzen, hat also mit Geldsparen erst an zweiter, mit Humanität aber an erster Stelle zu tun. Gerade in einer sich von den Kirchen immer mehr entfernenden Gesellschaft ist es von entscheidender Bedeutung, dass auch der säkulare Staat durch das Angebot eines Freiwilligendienstes einen moralischen Anspruch an seine Bürger formuliert. Was für die Katholiken die Caritas – das heißt Nächstenliebe – und für die Protestanten die Diakonie, der Dienst am Hilfsbedürftigen, ist, könnte für die nicht religiös gebundenen, in Deutschland lebenden Menschen ein Zivildienst aus freiem Entschluss sein.

Dass der moralische Appell, sich dieser Aufgabe zu öffnen, nicht nur an junge, sondern auch an alte Menschen geht, ist ein Gebot der Klugheit. Zwar sind, entgegen einem landläufigen Vorurteil, die meisten Rentner keine auf Mallorca ihre Ruhegelder verprassenden Nichtstuer, sondern durchaus in Vereinen, Gemeinden und für die eigenen Kinder und Enkel engagiert. Aber viele würden sich wohl gerne für der Hilfe bedürftige Mitmenschen einbringen, wenn sie nur wüssten, wie und wo. Und in Deutschland gibt es eben viel mehr Alte als Junge.

Für beide aber hat das jetzt von der Familienministerin vorgestellte Modell noch einen entscheidenden Nachteil. Es fehlen ihm substanzielle Anreize, mitzumachen. Diese Anreize zu bieten, wäre kein Verrat an einer humanitär begründeten Idee, sondern der materielle Boden, auf dem sie gerne gründen darf. Für Jüngere könnten das Bonuspunkte für eine schnellere oder erleichterte Zulassung zum Studium sein, für Ältere Gutschriften auf dem Rentenkonto. Beides einzuführen, bleibt ja noch fast ein Jahr.

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