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Meinung: Der Mensch, der Mais und die Felder

Über Gen-Food sollen nun die Verbraucher entscheiden

Von Alexander S. Kekulé

WAS WISSEN SCHAFFT

Das Unwohlsein stand Renate Künast ins Gesicht geschrieben. Die Verbraucherschutz- und Landwirtschaftsministerin musste als Erfolg verkaufen, was die Kapitulation bei einem grünen Kernthema ist: Vom Herbst an werden auf deutschen Feldern gentechnisch manipulierte Pflanzen wachsen. Zum Beispiel die Maissorte „Bt-176“ mit einem gentechnisch eingebauten Insektizid, das die Darmwand der Maiszünsler-Raupe zerstört. Die Ministerin versuchte zu beschwichtigen, dank der neuen Kennzeichnungsverordnung werde der Verbraucher entscheiden, ob sich Gen- Food hierzulande durchsetzt oder nicht. Ihr Gesichtsausdruck verhieß dabei nichts Gutes, erinnerte eher an einen Maiszünsler mit einer Riesenportion „Bt-176“ im Darm. Künast hat jahrelang gegen Gentechnik auf dem Acker gekämpft – mit gutem Grund.

Die zunächst nahe liegende Befürchtung, neue Gene in Nahrungspflanzen könnten für den Menschen schädlich sein, hat sich bisher nicht bewahrheitet. Der Gen-Mais „Bt-176“ enthält neben dem Maiszünsler-Insektizid zwei weitere künstliche Gene, die ihn gegen einen Unkrautvernichter und ein Antibiotikum widerstandsfähig machen. Die Produkte der künstlichen Gene zeigten an Mäusen und anderen Säugetieren selbst in sehr hohen Dosen keine toxischen oder allergisierenden Effekte. Auch der unwahrscheinliche Fall einer Übertragung der Antibiotika-Resistenz auf wenige Darmbakterien wäre keine Gefahr; im Darm lebt schon normalerweise eine nicht geringe Menge resistenter Keime.

Doch müssen Risiken und Nebenwirkungen für jede hergestellte Gen-Pflanze aufs Neue untersucht werden. Agrochemie-Riesen wie der „Bt-176“-Hersteller Syngenta haben in die Sicherheitschecks ihrer Prototypen enorme Summen investiert. Die jetzt weltweit in den Markt drängenden, kleinen Gentech-Boutiquen können das nicht leisten.

Die größte Gefahr ist jedoch eine Gen- Übertragung auf andere Pflanzen. Da die Resistenz gegen Insekten und Herbizide einen Selektionsvorteil darstellt, könnten „Super- Unkräuter“ und andere Gen-Gewinnler die Flora aus dem Gleichgewicht bringen. Gesundheitliche Auswirkungen auf den Menschen sind dann schwer vorherzusagen, die Produkte der Kunst-Gene können sich in Pflanzen mit unterschiedlichem Stoffwechsel verändern. Die geplanten Schutzhecken und Mindestabstände werden den Flug der Gen-Pollen nicht verhindern, zumal die meisten Bauern mit dieser Art von „Kontamination“ keine Erfahrung haben.

Bleibt also der Verbraucher, der sich für oder gegen die Gen-Waren entscheiden soll. Gentechnik-Anteile unter 0,9 Prozent sind jedoch nicht kennzeichnungspflichtig, weil versehentliche Verunreinigungen unvermeidbar sind und sogar Öko-Lebensmittel durch Pollenflug kontaminiert sein können. Wie viel Gentechnik in welcher Pflanzensorte, etwa für Babynahrung, noch tolerabel ist, könnte der Normalbürger ohnehin nicht entscheiden – selbst wenn an jeder Tomate ein Beipackzettel hinge. Der Verbraucher muss also, ob er will oder nicht, im Alltag ein weiteres Restrisiko schlucken. Unappetitlich daran ist nur, dass er keinen einzigen Vorteil davon hat – Gen-Food mit verbessertem Geschmack wurde noch nicht erfunden.

Der Autor ist Direktor des Instituts für Mikrobiologie an der Universität Halle. Foto: J. Peyer

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