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Papst Franziskus während seiner wöchentlichen Generalaudienz.

© dpa

Der Papst und die Ehe: Stille im Maschinenraum der Kirche

Die Ankündigungen des Papstes zur Sexualmoral sind keine Revolution. Sie suggerieren vielmehr etwas anderes. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Claudia Keller

Jede Woche überrascht Papst Franziskus mit einer neuen Nachricht. Vergangene Woche veranlasste er, dass künftig Priester die Sünde der Abtreibung vergeben dürfen. Diese Woche vereinfacht er die Annullierung von katholischen Ehen. Jedes Mal klingen die Meldungen aus Rom nach großer Revolution, man meint den Pulverdampf innerkirchlicher Gefechte zu riechen.
Doch schaut man näher hin und lässt sich die Änderungen von Kirchenjuristen erklären, schrumpft die Revolution auf Erbsengröße. Franziskus dreht hier und da an Schräubchen im weit verzweigten Maschinenraum des Kirchenrechts. Eine volle Umdrehung wird daraus noch lange nicht.

Die Worte sollen den Reformhungrigen suggerieren

Doch viele Katholiken im Westen hoffen auf eine grundsätzliche Wende, was die katholische Sexualmoral angeht, was das Verhältnis zu Homosexuellen und die Frage, wie man mit all jenen umgeht, die den Ansprüchen der Kirche nicht genügen – weil sie trotz bester Absichten in ihren Ehen scheitern, weil sie aus Verzweiflung abgetrieben haben oder weil sie in Beziehungsformen leben, die die Kirche ablehnt. Deshalb sind auch die Erwartungen an die Synode zum Thema Familie und Ehe so hoch, zu der sich die katholischen Bischöfe der Weltkirche im Oktober in Rom treffen.

Es ist sicher kein Zufall, dass sich Franziskus einen Monat vor Beginn dieser Synode mit Änderungen zur Vergebung von Sünden oder zur Ehe-Annullierung zu Wort meldet. Sie sollen den Reformhungrigen suggerieren: Wir nehmen eure Sorgen wahr, wir wissen um die Niederungen des Alltags und euer vielfaches Scheitern. Franziskus ist es mit seiner Barmherzigkeitsoffensive ja auch durchaus ernst.

Kann man auf diese Weise eine von Dogmen umstellte Kirche nachhaltig ändern?

Zugleich beruhigt er diejenigen, die Reformen in der Kirche für den Untergang des Abendlandes halten, indem er betont, dass grundsätzlich alles beim Alten bleibt. Bisher durften in vielen Ländern nur Bischöfe die Sünde der Abtreibung vergeben, künftig dürfen das auch Priester. Und ob im Annullierungsverfahren eine von mehreren Instanzen wegfällt, ändert erst mal nichts daran, dass gescheiterte Eheleute in der Kirche als Katholiken zweiter Klasse bewertet werden.
Auffällig ist auch, wie sehr die deutschen Bischöfe dieser Tage versuchen, die Erwartungen an die Synode in Rom möglichst tief zu hängen. Er rechne nicht mit konkreten Ergebnissen, sagte der Münchner Kardinal Reinhard Marx am Dienstag. Es gehe auch gar nicht darum, die Kirchenlehre zu verändern. Wie man mit Geschiedenen und Gescheiterten umgehe, sei eine seelsorgerliche Frage.
Doch kann man auf diese Weise eine von Dogmen umstellte Kirche nachhaltig ändern? Wie sehr wird der allseits gelobte neue Ton von Papst Franziskus nachhallen? Was wird von seinem Pontifikat bleiben, wenn sich theologisch nicht wirklich etwas ändert?

Doch Gott sei Dank gibt es Wichtigeres auf der Welt als die Frage, ob es zwei, drei oder fünf Instanzen für die Annullierung einer katholischen Ehe braucht. Im Engagement für die Flüchtlinge sind sich deutsche Gläubige, Bischöfe und der Papst so einig wie lange nicht mehr. Und es sieht so aus, als würden die Flüchtlinge den Kirchen mindestens genauso helfen wie andersrum.

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