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Meinung: Der Rechtsweg ist der Ausweg

Der Streit um den Checkpoint Charlie zeigt die Grenzen privaten Engagements

Das klingt schon nach Unrecht: Ein Denkmal wird „abgerissen“, Holzkreuze werden umgelegt, zwei Brachflächen werden dort entstehen, wo ein Dreivierteljahr Berlin-Besucher eine schauerliche Ahnung von der Grausamkeit der innerdeutschen Grenze bekommen haben. Abriss, Rückbau, Brachfläche – am Checkpoint Charlie ist das ungute Ende einer unguten Geschichte erreicht. Aber daran hat nicht nur einer Schuld.

Das Ungute am Streit um den Checkpoint liegt darin, dass keiner der Beteiligten ganz lautere Motive zu haben scheint – Alexandra Hildebrandt so wenig wie PDS-Kultursenator Thomas Flierl. Alexandra Hildebrandt, die Chefin des Mauermuseums und Erfinderin des Mahnmals für die Mauertoten, wird mit der ihr eigenen Mischung aus Emotionalität und Empörungsbereitschaft den Verdacht zurückweisen, ihr gehe es zuerst und zuletzt um Popularität. Oder um den Zugriff auf die beiden Flächen an der Friedrichstraße. Dabei ist alles, was den Checkpoint ins Fernsehen bringt, für sie und ihr Museum perfekte Werbung. Hildebrandt ist eine Meisterin der inszenierten Aufregung am und um den Checkpoint Charlie. Doch dass sie mit ihrem Gefühl für Pathos einen Ort erfunden hat, der viele bewegt, ehrt sie.

Kultursenator Thomas Flierl (PDS) wirkt dagegen wie ein Antipode aus Schaumstoff, in Watte gepackt. Der Mann, der von seinem Regierenden Bürgermeister doch bei jeder Gelegenheit hört, wie wichtig für die Stadt Touristen sind, hatte nicht mal die Anziehungskraft des Checkpoints erkannt. In Sachen Mauer, Teilung, Erkennbarkeit der Grenze tat er nichts, bis ihm alle möglichen Leute deutlich machten, dass es so nicht weitergeht. Dann kam er im April mit seinem Mauerkonzept. Darin ist der Checkpoint historisch richtig untergebracht als Ort des Kalten Krieges; emotional aber tat und tut Flierl mit diesem Ort, was er die ganze Zeit damit getan hat: Er ignoriert ihn, wo er kann.

Sachzwänge machen ihm das leicht. Zunächst: Unzuständigkeit. Die beiden Flächen werden von einer Bank im Zuge eines Insolvenzverfahrens verwaltet. Die Bank will die Flächen räumen lassen, weil sie meint, sie könne sie sonst nicht verkaufen. Für die Räumung ist der heutige 5. Juli angesetzt. Das ist ein rechtliches Verfahren, an dem Flierl nicht beteiligt ist, basta. Dass er gar nicht erst den Eindruck erweckt hat, er durchsuche seine Kulturverwaltungen an stillen Freitagnachmittagen nach 36 Millionen Euro, um die Flächen zu kaufen, ist das Ehrliche an Thomas Flierl. Und angenommen, er oder der Senat hätten das Geld – Geschrei all derer, die aufs Sparen verpflichtet sind, wäre der Berliner Reflex auf ein senatsgebautes Mahnmal.

Aus dem Dilemma führt nur ein Weg – der Rechtsweg. Der Imageschaden durch abgerissene Kreuze fällt auf die Stadt zurück und auf einen Senat, den an Berlin vor allem die Eventversessenheit der Gegenwart interessiert, eine Vergangenheit, die erst wieder freizulegen ist, aber nicht. Alexandra Hildebrandt hat die Chance zum Spendensammeln. So schnell wird wohl kein Investor für die Flächen zu finden sein – Berlin leidet nicht an einem Mangel an Geschäftshäusern.

Wer aber die Toten der Mauer an zentralem Ort ehren will, muss warten. Der Bundestag will ein Mahnmal, das hat er jüngst beschlossen. Dass dafür der Bund, nicht die Berliner Politik zuständig sein wird – darin liegt die Chance des neuen Erinnerungsortes.

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