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Meinung: Der Sängerkrieg

Horst Seehofer hat keine leichte Aufgabe – und erfüllt sie besser, als sein Ruf es nahelegt

In der Politik soll es, meistens, zugehen wie im Gesangverein Harmonie. Stimmenvielfalt ist möglich, aber straff gelenkt, gesungen wird Bekanntes, weil Neues von der Mehrheit eher unerwünscht ist. Und erst recht ein Wechsel im Programm. Der Bürger, der auch Wähler ist, könnte davon erschreckt werden, lautet die gängige These. Wer auf die Wahlergebnisse schaut, findet die These oft bestätigt. Oder wer der CSU zuhört.

Was aus ihr herausschallt, was über sie geredet worden ist und wird – es klingt schräg, von oben angefangen bis in die Niederungen der Parteienlandschaft. Dabei war sie gefühlte Ewigkeiten die unverrückbare Größe der beiden Unionsparteien. Sie war gewissermaßen eine feste Bank – womit ein Teil des Problems erwähnt wäre: die Bayern LB, das Desaster um sie und ihre verlorenen Milliarden als Synonym für den Niedergang. Da rauschen sie davon, die Werte sowohl der Bank als auch der CSU.

Und jetzt hat sie Horst Seehofer als Vorsitzenden. Ausgerechnet, sagen seine Gegner, manche schon nicht mehr hinter vorgehaltener Hand. Muss er doch verwalten, was er erstens gar nicht mag, und zweitens auch noch das, was ihm hinterlassen wurde. Das zusammengenommen lässt ihn weniger gut aussehen, als es sich seine Anhänger erhofft haben, die ihn vor Jahresfrist zum Nachfolger von Günther Beckstein als Regierungs- und Erwin Huber als Parteichef machten.

Dabei würde, wenn’s gerecht zuginge, gesehen, was er zu leisten versucht. Ein Versuch kann es ja auch nur sein, bei dieser Hinterlassenschaft. In Bayern wird der Begriff Aufbau jetzt einmal ganz anders buchstabiert: als Neuaufbau, von tiefem Grunde. Das Land hat keinen Schutzwall gegen die Finanzkrise, nicht mehr, und die CSU ihren Mythos verloren, unbezwingbar zu sein. Und dann denken sich wohl noch manche: Ist der Ruf erst ruiniert, verliert sich’s ungeniert.

In dem Gesangverein Chorleiter zu sein, ist keine einfache Aufgabe. Allerdings macht der es trotzdem nicht schlecht. Er fördert junge Talente zielgerichtet in einer Weise, die ihm erst mal einer nachmachen muss, indem er sie in hohe Ämter bringt; am nächsten ist Seehofer da noch der Kollege Guido Westerwelle, aber der ist bekanntermaßen nicht in der Union. Darüber hinaus zieht der Ministerpräsident die zur Rechenschaft, die das Desaster angerichtet oder es nicht verhindert haben, das politische wie das finanzielle.

Seehofer das zum Nachteil auszulegen, ist kleine Münze. Was soll, was kann er anderes tun? Rechtlich ist er verpflichtet, politisch nicht weniger. Es ist ganz schlicht bisher noch immer so gekommen: Wenn Abrechnung nottut, wird sie stattfinden. Das könnte man, positiv gesprochen, politische Hygiene nennen. Oder – Erneuerung. Dass die ein Jahrzehnt benötigen wird, ist wahrscheinlich. Dass Seehofer sie gestalten will, ist verständlich. Immerhin hat die CSU einiges im Angebot, zum Beispiel einiges Soziale, wie es ihr Name gebietet, für das zu streiten sich lohnte.

Manchmal ist dieser Tage aus seinen Worten zu hören, wer Horst Seehofer als Vorbild für Veränderung auch leitet: Heiner Geißler. Der war im Übrigen immer gegen Politik als Gesangverein Harmonie.

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