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Meinung: Der Traum von den eigenen vier Wänden

„Wowereit: Berliner, kauft Wohnungen“ vom 31. August Die Assoziation zur sozialrevolutionären Polemik der Französischen Revolution „Wenn die Bauern kein Brot haben, sollen sie doch Kuchen essen“, die Marie Antoinette als Repräsentantin des Feudalismus in den Mund gelegt wurde, liegt nahe.

„Wowereit: Berliner, kauft Wohnungen“ vom 31. August

Die Assoziation zur sozialrevolutionären Polemik der Französischen Revolution „Wenn die Bauern kein Brot haben, sollen sie doch Kuchen essen“, die Marie Antoinette als Repräsentantin des Feudalismus in den Mund gelegt wurde, liegt nahe. Auch wenn es der Regierende Bürgermeister nicht so prägnant formuliert hat, der Zynismus seiner

Botschaft „In Berlin gibt es offensichtlich kein Gefühl dafür, dass es sich lohnt, eine Eigentumswohnung zu haben“, ist vergleichbar und kommt bei uns Mietern an. Der Unterschied zu Frankreich ist nur, dass Klaus Wowereit seine Rede bei den Wirtschaftsgesprächen des Capital Clubs wohl nicht als Zynismus verstanden hat.

Natürlich hat er recht, dass angesichts der überwiegend zur Miete

wohnenden Berliner Bevölkerung, die sich zu großen Teilen durch kontinuierlich steigende Mieten in ihrer Existenz bedroht sieht, kein Gefühl aufkommt,

an Erwerb von Eigentum zu denken. Eine große Zahl befristeter und prekärer Arbeitsverhältnisse macht Planungen

in Richtung Wohneigentumserwerb

auf Kredit – von Rentnern und Transferleistungsempfängern ganz zu schweigen – allenfalls im Traum möglich.

Doch erstaunt es, dass eine derartige

Bemerkung von einem Sozialdemo-

kraten kommt, ohne die Ursachen

mitzudenken.

Eine ähnliche Ignoranz kann man

bei Bausenator Michael Müller gerade feststellen. Er sieht bei den bereits

vom Kartellamt genehmigten Verkaufsplänen der GSW an die Deutsche Wohnen keine ernsthaften Probleme für die tief beunruhigten Mieter. Die bei der GSW-Privatisierung ausgehandelten besonderen Mieterschutzrechte hätten weiter Bestand, sagte Müller im Abgeordnetenhaus. Als ob dies nicht gerade ein Grund zur Besorgnis wäre, denn inzwischen haben die Mieter ja so ihre Erfahrungen mit der privatisierten und börsennotierten Wohnungsgesellschaft. Müller relativierte seine positive Aussage ein wenig dahingehend, dass es wegen des Umgangs der GSW mit den Mietern zuletzt eine Reihe von Reibungspunkten gegeben habe. Allerdings – so klang es durch – werde ja alles besser, da die Deutsche Wohnen ihre Zentrale nach Berlin verlagere. Dass da eine Machtkonzentration zweier Wohnungskonzerne mit einem Berliner

Wohnungsbestand von etwa 106 000 Wohnungen entsteht, durch die künftig ein noch größerer Druck auf die Wohnungspolitik ausgeübt werden kann, wie schon bisher feststellbar, beunruhigt nicht nur Mieter von GSW und Deutsche Wohnen. Beide haben bereits erfahren, dass diese Gesellschaften

sich in erster Linie ihren Aktionären verpflichtet fühlen und Mieter in der Rolle als Renditebringer sehen.

Vollends gruselt es einen bei der

Vorstellung, wie dann alle an der Börse notierten Wohnungsunternehmen

Deutsche Wohnen (GSW), Gagfah

(Fortress) und neuerdings auch die

Deutsche Annington den Finanzkapita-

lismus in der Berliner Wohnungsbewirtschaftung weiter zum Blühen bringen und die altansässigen Gering- und Normalverdiener bis hin zum Mittelstand ohne Eigenheim in steuerlich begünstigte und geförderte Neubausiedlungen an den Stadtrand umsiedeln oder zu Transferleistungsempfängern machen.

Barbara von Boroviczeny,

Berlin-Zehlendorf

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