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Meinung: Der Vorsprung der Spekulanten

DER EURO UND DIE EZB

Der Euro wird nicht müde. Die Gemeinschaftswährung kostete am Montag 1,27 Dollar – und ein Ende der Aufwertung ist nicht in Sicht. Muss die Europäische Zentralbank jetzt eingreifen, damit der starke Euro die Exportwirtschaft nicht ausbremst? Die meisten Devisenexperten sagen: nein. Kaum jemand zweifelt zwar daran, dass ein in diesem Tempo steigender Euro der europäischen Wirtschaft bedrohlich werden könnte. Die Notenbank würde allerdings mit einer Intervention oder Zinssenkung zum jetzigen Zeitpunkt nichts am Höhenflug ändern. Im Gegenteil. Der Euro würde sich noch weiter von den volkswirtschaftlichen Realitäten entfernen. Das liegt an den Besonderheiten des Devisenmarktes. Er wird – noch stärker als die Börse – von Stimmungen und Übertreibungen bewegt. Gäbe die EZB jetzt Gerüchten Nahrung, sie werde bald an der Zinsschraube drehen oder Dollar kaufen, um den Euro zu drücken, würde der Herdentrieb der Händler sofort jede geldpolitische Strategie zunichte machen. Denn so schnell wie die Spekulanten kann die Notenbank nie sein. „Buy the rumour, sell the fact“ besagt eine Börsenregel – kaufe, wenn Gerüchte brodeln, und verkaufe, wenn Tatsachen auf dem Tisch liegen. Heißt: Zum Zeitpunkt der Intervention würde der EuroKurs das Gegenteil von dem tun, was die Notenbank bewirken wollte, weil alle Devisengeschäfte schon gelaufen sind. So paradox es klingt, die EZB bleibt jetzt handlungsfähig, wenn sie nicht handelt. Erst wenn die Gerüchte verstummt sind, hat sie wieder einen Vorsprung vor den Spekulanten. mot

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