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Meinung: Deutsche Bahn: Umgestiegen

Wer die Reaktion von Reisenden auf einem Bahnsteig erlebt hat, wenn es aus dem Lautsprecher schallt, "der Zug aus Hamburg-Altona zur Weiterfahrt nach Bonn verspätet sich in der Ankunft voraussichtlich um 25 Minuten", der weiß: Die Bahn hat ein Imageproblem. Die Klagen über angeblich häufige Verspätungen sind heftig.

Wer die Reaktion von Reisenden auf einem Bahnsteig erlebt hat, wenn es aus dem Lautsprecher schallt, "der Zug aus Hamburg-Altona zur Weiterfahrt nach Bonn verspätet sich in der Ankunft voraussichtlich um 25 Minuten", der weiß: Die Bahn hat ein Imageproblem. Die Klagen über angeblich häufige Verspätungen sind heftig. Nahezu jeder weiß zu berichten, wann er das letzte Mal wegen der Zugbummelei einen wichtigen Termin verpasst hat.

Zwar weist die Deutsche Bahn darauf hin, dass sie derzeit eine "durchschnittliche Pünktlichkeit" von 90 Prozent habe, aber im Bewusstsein bleibt bekanntlich vor allem haften, was nicht klappt. Bahnfahrer klagen häufig, sie fühlten sich keineswegs wie Kunden, die ziemlich viel Geld für den Zug bezahlen.

Nach dem Willen der Europäischen Union und des Bundesverkehrsministers soll sich das bald ändern. Per Gesetz wollen die Bundesregierung und die EU-Kommission den Kunden der Bahn mehr Rechte geben. Ein guter, ein überfälliger Schritt. Auch die Bahn profitiert davon, wenn sie für verschuldete Verspätungen haften muss. Ihr Image wird besser. Die neue Regelung bedeutet ja nicht, dass Bahnfahrer in jedem Fall alles ersetzt bekommen. Wenn im Winter Eis und Schnee zu Verspätungen und Zugausfällen führen, wird man selten die Bahn dafür verantwortlich machen können.

Aber es gibt auch die anderen Fälle: in denen sich der Kunde darauf verlässt, zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem Ort anzukommen. Oder, den letzten, nächtlichen Anschlusszug noch zu erreichen. Wenn die Bahn den Fahrgast nicht rechtzeitig hinbringt, muss sie die Übernachtung zahlen. Auch das ist nicht völlig neu. Aus Kulanz ersetzt die Bahn bereits heute manchen Schaden. Ist der letzte Anschlusszug schon weg, begleicht sie schon mal die Rechnung fürs Hotel oder das Taxi an den Zielort. Allerdings hatte der Kunde bisher keinen Anspruch darauf.

Wer aber nachts irgendwo festhängt, weil der Zug unpünktlich war, sollte kein Bittsteller sein. Die Bahn hat ihren Teil des Vertrages nicht erfüllt, der mit dem Kauf der Fahrkarte abgeschlossen wurde. Noch immer behandeln Bahn und Luftfahrtunternehmen ihre Fahr- und Fluggäste trotz der Kulanzregelungen häufig nicht wie Kunden. Dabei ist ein Ticket ein gültiger Geschäftsvertrag, aus dem sich Rechte und Pflichten für beide Seiten ergeben. Ein Anspruch auf Entschädigung ist da nur folgerichtig.

Angst vor Wettbewerbsverzerrungen muss die Bahn nicht haben. Die EU-Kommission bereitet entsprechende Vorschriften für die gesamte Europäische Union vor. Auch der Gesetzesentwurf, den Verkehrsminister Kurt Bodewig jetzt vorgelegt hat, ist kein nationaler Alleingang der Bundesregierung. Er setzt letztlich nur in nationales Recht um, was im Juni 1999 als Änderung des Übereinkommens über den internationalen Eisenbahnverkehr bereits vereinbart worden war.

Die Kunden können sich über die Pläne aus Berlin und Brüssel freuen: ein Stück Verbraucherschutz mehr. Wann es soweit sein wird, ist noch ungewiss. Wenn auch noch der Kaffee in der Minibar seinen Namen verdient, dann macht es bald wieder Spaß, mit der Eisenbahn zu fahren.

Carsten Germis

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