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Prinzip Hoffnung: Trotz geringer Gewinnchancen versuchen Lotto-Fans immer wieder ihr Glück.

© dpa

Deutscher Wettmarkt: Glücksspiel mit Grenzen

Die staatliche Tippgemeinschaft hat sich verzockt - der Europäische Gerichtshof hat das deutsche Glücksspielmonopol geknackt. Umso wichtiger werden ein paar Regeln.

Schnipp, da liegt er. Wieder einmal haben die obersten Hüter der europäischen Verträge einen deutschen Zopf abgeschnitten, das staatliche Glücksspielmonopol, um das so hart gerungen wurde. Den Tippern, Wettern und Spielern war es dabei egal, wer ihnen das Geld abnahm. Doch der Politik nicht, den Ländern nicht, den gemeinnützigen Empfängern nicht; die Erlöse aus dem Staatscasino waren, auch wenn sie schmaler wurden, sicher wie Steuereinnahmen. Ein Spiel, das allen gefiel, zumal es offiziell zum Ziel hatte, genau das nicht zu sein: ein Glücksspiel. Jedenfalls keines, das süchtig macht.

Ein Spiel, das gut läuft, sollte man nicht unterbrechen. Es gibt nur einen Grund – wenn einer mitspielen will. Und genauso lief es seit Jahren mit dem Glücksspiel. Die Sportwettenanbieter wollten einen Fuß in den Markt setzen und durften nicht. Stattdessen boomte das halblegal per Internet ins Ausland vermittelte Wettgeschäft. Und wo ein Nagelstudio aufmachte, war auch ein Wettbüro nicht fern. Die staatliche Tippgemeinschaft hatte sich derweil verzockt. Ihr öffentlich-rechtliches Monopoly mit amtlicher Lottofee war nur noch ein Vergnügen unter vielen. Der Spruch des Europäischen Gerichtshofs bringt deshalb keine geordnete Welt ins Wanken, er beendet eine Illusion.

Trotzdem bleibt ein Unbehagen, und es ist verständlich. „Wetten, dass“, jenes Lieblingsspiel der Finanzindustrie, hat die globale Wirtschaft an den Abgrund geführt, die Kurswetten der Hedgefonds, die Derivatgeschäfte; mit Swap-Papieren haben deutsche Kommunen Milliarden an Steuergeld verwettet. Ein Spiel ohne Grenzen mit einem unerschöpflichem Ideenvorrat – derzeit kaufen Banken in den USA Lebensversicherungen und wetten auf den baldigen Tod der Versicherten. Solche Beispiele zeigen, wie schwer Spiel vom Ernst zu trennen ist. Sucht kommt von siechen. Auswüchse gibt es überall.

Dass der deutsche Monopolismus das taugliche Gegengift sein soll, hatte schon vor vier Jahren das Bundesverfassungsgericht bezweifelt. Es mokierte sich über den staatlichen Wettanbieter Oddset, er vermarkte sein Angebot wie eine „grundsätzlich unbedenkliche Freizeitbeschäftigung“. Eine hübsche Suchtbekämpfung war das, die, nach dem Wunsch der Veranstalter, „kontinuierlich Lust aufs Mitwetten weckt“. Es ist in der Tat paradox, Sucht zu bekämpfen, indem man umstandslos den begehrten Stoff anbietet. Hätte die Werbung lauten sollen „Spielen Sie nicht. Sie können nur verlieren“?

So hatte das in Europa einzigartig strikte deutsche Monopol mehr historische und kulturelle Gründe als volksgesundheitliche. Das reicht nicht, um andere Anbieter draußen zu halten. Deshalb ist es richtig, den Markt zu öffnen, Anbieter zu etablieren und ihre Steuern zu nehmen; sie zu regulieren, hat das Gericht nicht verboten. Wer Unsinn macht, verliert seine Lizenz. Wenn der deutsche Wettmarkt trotz allem zur unkontrollierbaren Spielhölle werden sollte, wird sich kein Gericht dagegenstemmen, wieder Monopole zu errichten – dann allerdings auch für Automaten und Casinos.

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