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Das Institut für Menschenrechte beobachtet auch die Lage von Menschen, die als Flüchtlinge nach Deutschland kommen.

© Antonio Parrinello/rtr

Deutsches Institut für Menschenrechte: Ende des A-Status

Das Deutsche Institut für Menschenrechte wird von der Politik geschwächt. Das ist ein Skandal - der Folgen für die Arbeit des Instituts hat. Ein Gastbeitrag

Das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIMR) hat 2002 auf Grundlage eines erst nach langen und peinlichen Debatten zustande gekommenen Bundestagsbeschlusses seine Tätigkeit als Nationale Menschenrechtsinstitution (NMRI) im Sinne der sogenannten Pariser Prinzipien der UN-Resolution 48/134 vom 4. März 1994 aufgenommen. CDU/CSU, aber auch der damalige Bundesinnenminister Otto Schily (SPD), hatten zuvor große Sorge davor geäußert, dass sich ein solches Institut zu stark mit Menschenrechtsverletzungen in Deutschland und von deutschen beziehungsweise verbündeten Militärs im Ausland befassen würde, wie es die Pariser Prinzipien als Kernaufgabe der NMRI vorsehen.

Das Institut möge sich gefälligst mehr um verfolgte Christen kümmern

Diese Bedenken rumorten auch nach der Institutsgründung weiter, und bereits nach ersten Presseerklärungen ab August 2002, in denen der Fokus zum Beispiel auf Menschenrechtsdefizite bei der Behandlung von Flüchtlingen gelegt wurde, rügte der heutige Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe gegenüber der Institutsleitung, dass er „in ganz erheblichem Umfang unterschiedlicher Meinung“ bezüglich des Schwerpunktes „Innenpolitik“ sei. Das Institut möge sich doch gefälligst mehr um verfolgte Christen im Sudan kümmern sowie um Verbrechen des irakischen Staatschefs Saddam Hussein und der Taliban anstatt um Rassismus in Deutschland, völkerrechtswidrige Angriffspläne der „Koalition der Willigen“ im Irak und Menschenrechtsverletzungen der Alliierten in Afghanistan. Selbst das Vorstandsmitglied der Böll-Stiftung, Barbara Unmüßig (Bündnis 90/Grüne), kritisierte damals heftig, die Arbeit des Direktors konzentriere sich zu stark auf die Verwirklichung einzelner Rechte in Deutschland; das Kuratorium lege demgegenüber mehr Wert „auf die Beobachtung und Begleitung der internationalen Debatte über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte“ und deren „Verankerung im Völkerrecht“.

Percy MacLean ist Gründungsdirektor des Deutschen Instituts für Menschenrechte (DIMR)
Percy MacLean ist Gründungsdirektor des Deutschen Instituts für Menschenrechte (DIMR)

© promo

Schließlich wurden die Übergriffe in die Unabhängigkeit der Institutsleitung mit Streichung konkreter Forschungsprojekte derart massiv, dass schon 2003 nur noch der Rücktritt des Gründungsdirektors in Betracht kam. Das „Forum Menschenrechte“ beispielsweise kritisierte damals, dass in der Öffentlichkeit der Eindruck entstanden sei, das Institut sei nicht politisch unabhängig.

Die Unabhängigkeit ist in Gefahr

Nach diesem Schock hielt sich das Kuratorium in der Folgezeit mit weiteren Eingriffen in die Institutspolitik zurück. So gelang es den beiden Nachfolgern in der Leitung des DIMR, die inlandsbezogenen Themen wieder aufzugreifen, wissenschaftlich zu vertiefen und in die öffentliche Debatte einzubringen – bis MdB Erika Steinbach und mit ihr die CDU/CSU nunmehr die Übergriffe aus der Gründerzeit wieder aufleben lässt. Unverblümt wärmt sie die alte Forderung konservativer Parteifreunde auf, das Institut solle sich doch (mangels entsprechender Probleme im Inland) intensiver mit Menschenrechtsverstößen im Ausland befassen und deshalb gleich beim Auswärtigen Amt angesiedelt werden. Durch Umwandlung des gemeinnützigen Vereins in eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und die Entsendung zusätzlicher Regierungsvertreter in das Kuratorium will sie den Einfluss der Politik stärken, also die essentielle Unabhängigkeit des DIMR massiv gefährden. Mit der Sabotage einer bis Mitte März von den Vereinten Nationen geforderten gesetzlichen Grundlage für das Institut wird es in Kürze bereits seinen „A-Status“ verlieren und damit seine Berechtigung, an Sitzungen des UN-Menschenrechtsrats (dem seit Januar ein deutscher Diplomat vorsteht) teilzunehmen und dort zu allen Tagesordnungspunkten Stellung zu nehmen. Außerdem wird das besonders wichtige Recht entfallen, im Menschenrechtsrat unmittelbar nach der eigenen Regierung zu sprechen, wenn dort über Deutschland debattiert wird. Schließlich wird das Institut auch in den internationalen Dachverbänden der NMRI von jeglicher Mitwirkung ausgeschlossen werden – und damit insgesamt in weitgehende Bedeutungslosigkeit versinken: Eine Schande für Deutschland, die es mit aller Kraft noch in letzter Minute abzuwenden gilt.

Der Autor ist Gründungsdirektor des DIMR 2002/2003

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