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Die Flut beim Nachbarn, das Leid der Nachbarn? „Le Monde“ erwähnte es in einer kleinen Meldung, die anderen beiden Blätter erwähnten nichts.

© dpa

Deutschland drumherum (26): Die Flut findet nicht statt

Der Rhein zwischen Neuf-Brisach und Breisach führt viel Wasser, beobachtet Helmut Schümann auf seiner Wanderung um Deutschland herum. Das ist so unspektakulär, dass es eigentlich auch dem Wanderer keine Erwähnung wert wäre. Wäre nicht da drüben, von meinem Wandergebiet aus betrachtet nur einen Steinwurf entfernt, eine Katastrophe.

Ich bin ihr bei meiner Umwanderung sozusagen vorausgeeilt, bin zwar pitschnass geworden, als das Wasser noch von oben kam, aber als es von unten kam, als die Flüsse anfingen anzuschwellen und Städte und Dörfer fluteten, Menschen ihr Hab und Gut wegrissen und manchen auch ihr Leben, war ich zum Glück immer schon weiter. Im Trockenen, jetzt in Frankreich.

Der Rhein, der uns trennt, aber auch wie eine Art Hauptschlagader durchströmt, le Rhin, war immer ein Thema zwischen Frankreich und Deutschland. Und die derzeitige Flut? Deutschland säuft ab, aber hier in Frankreich findet diese Katastrophe so gut wie nicht statt. Der Eindruck ist nicht empirisch gestützt, weil ich nicht alle Blätter seit Beginn des Dramas verfolgt, nicht alle Nachrichten gesehen habe. Vorgestern habe ich in Colmar, während ich auf den Bus wartete, „Le Monde“ durchgeblättert, in Neuf-Brisach „Le Figaro“ und „Le Parisien“. Das sind die drei auflagenstärksten und damit einflussreichsten Tageszeitungen in Frankreich. Die Flut beim Nachbarn, das Leid der Nachbarn? „Le Monde“ erwähnte es in einer kleinen Meldung, die anderen beiden Blätter erwähnten nichts. Heute auch nicht.

Fernand Issenmann, der am Abend in Neuf-Brisach einen grandiosen elsässischen Eintopf auftischte, zuckte beim Thema auch nur die Schultern. „Ja, ja, gehört haben wir davon schon, ein bisschen, ist wohl schlimm, oder?“ Man könnte jetzt zum Schluss kommen, dass Deutschland für Franzosen nur interessant ist, wenn es mit ihnen in Syrien interveniert oder den fiskalischen Druck lockert. Ein anderes Thema, ein europäisches Thema, die Türkei und wie sie gerade ihren Anspruch auf einen EU-Beitritt niederknüppelt, kommt in Frankreich auch nicht vor. Wer jetzt zu dem Schluss kommt, „La Grande Nation“ drehe sich immer noch am liebsten um sich selbst, der sei erinnert, dass diese Beobachtung nur die eines Wanderers und nicht empirisch gestützt ist.

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