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Meinung: Deutschland liegt am Mittelmeer Von Clemens Wergin

Man kann verstehen, dass Otto Schily der Kragen geplatzt ist. Da musste er mit ansehen, wie sich die Gutmenschen der rotgrünen Koalition in den letzten Tagen vor Direktor und Kapitän der Cap Anamur warfen, um sie gegen den Zugriff der bösen italienischen Behörden in Schutz zu nehmen.

Man kann verstehen, dass Otto Schily der Kragen geplatzt ist. Da musste er mit ansehen, wie sich die Gutmenschen der rotgrünen Koalition in den letzten Tagen vor Direktor und Kapitän der Cap Anamur warfen, um sie gegen den Zugriff der bösen italienischen Behörden in Schutz zu nehmen. Dabei tun die ja nur das, was die Staaten des Schengenraumes von ihnen verlangen: Es den hunderttausenden Flüchtlingen so schwer wie möglich zu machen, über das Mittelmeer in die Festung Europa zu gelangen. Aber Schily erweist sich wieder einmal als oberster „Bild“-Beauftragter der Regierung, wenn er die Helfer der „Cap Anamur“ nun in die Nähe von Schleuserbanden rückt. Es kann nicht die Aufgabe eines deutschen Innenministers sein, deutsche Staatsbürger auf bloßen Verdacht hin zu kriminalisieren. Vielmehr ist es die Pflicht jeder Bundesregierung, wie in diesem Fall ja auch geschehen, den Beschuldigten konsularischen Beistand zu geben und die Sache – möglichst im Stillen – zu klären. Genauso unangebracht sind aber die Wortmeldungen anderer Koalitionspolitiker, die meinen, es könne doch nicht angehen, dass Menschen, die sich für andere einsetzen, in Haft kommen. Soll das heißen, man muss nur die richtige Moral haben, dann ist alles erlaubt?

Halten wir fest: Bisher weiß man nur, dass die „Cap Anamur“ Regeln nicht eingehalten hat, die bei der Rettung von Schiffbrüchigen gelten. Und es gibt Indizien dafür, dass ihr Leiter, Elias Bierdel, Kurs auf Italien nehmen ließ, um einen medienwirksamen Präzedenzfall zu schaffen. Als solch einen haben die italienischen Behörden die Aktion auch verstanden. Ihre Angst: Wenn sie einmal nachgeben, öffnen sie dem Missbrauch Tür und Tor.

Das Drama, dass nun in der sengenden Mittelmeerhitze abläuft, unterscheidet sich nur wenig von den Dramen, die sich – weniger fototrächtig – fast täglich an deutschen Flughäfen abspielen. Nur davon wollen wir in der Regel gar nichts wissen. Wir sind auch ganz froh darüber, dass nicht wir sondern Italiener und Spanier jeden Tag im Mittelmeer altersschwache Seelenverkäufer voller Flüchtlinge abweisen müssen, um europäisches Recht durchzusetzen. Deshalb hat die Aufregung über die Cap-Anamur-Affäre etwas Heuchlerisches. Man wird das Gefühl nicht los, dass da manche ihr schlechtes Gewissen abarbeiten über europäische Regelungen, die sie einst mitbeschlossen haben.

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