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Russlands Präsident Wladimir Putin: Er ließ im vergangenen Jahr Gesetze verabschieden, die die Arbeit von Nichtregierungsorganisationen erschweren.

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Deutschland und Russland: Die Grenzen der Leisetreterei

Russische Behörden gingen gegen deutsche Stiftungen vor, doch deutsche Diplomaten machten den Fall zunächst nicht öffentlich. Der Fall zeigt einmal mehr, dass es in der deutschen Außenpolitik keinen klaren Kurs gegenüber Moskau gibt.

Auch für russische Verhältnisse war das Vorgehen der Staatsmacht beispiellos: Hunderte Nichtregierungsorganisationen bekamen Besuch von Staatsanwälten und Steuerfahndern, die Dokumente über Aktivitäten und Geldgeber verlangten.

Russlands Präsident Wladimir Putin hatte im vergangenen Jahr mehrere Gesetze verabschieden lassen, die die Freiheit der Bürger einschränken. Russische Nichtregierungsorganisationen, die auch aus anderen Staaten Geld erhalten, werden als „ausländische Agenten“ unter Generalverdacht gestellt. Dahinter steckt bei den Machthabern in Moskau die Angst, dass mit westlichem Geld ein Umsturz finanziert werden könnte.

In dieser Logik ist es nur folgerichtig, dass auch zwei deutsche Stiftungen ins Visier der russischen Behörden gerieten. Doch zunächst entschieden sie sich, damit nicht an die Öffentlichkeit zu gehen. So vergingen zwei Wochen, bis die Geschichte bekannt wurde. Das Auswärtige Amt war über den Vorgang informiert.

Ein strittiges Thema lieber hinter geschlossenen Türen zu besprechen, gehört in der Diplomatie zum Geschäft. Doch gerade im Umgang mit autoritären Staaten – und in Russland gibt es zunehmend autoritäre Tendenzen – zeigen sich die Grenzen der Leisetreterei. Zu allem zu schweigen, kann als Schwäche ausgelegt werden. Schlimmer noch: Durch Schweigen ließe man die Partner in der Zivilgesellschaft im Stich, die im Zentrum der Zusammenarbeit stehen sollten. Denn beim Vorgehen der russischen Behörden gegen deutsche Stiftungen geht es möglicherweise nicht um diese selbst, sondern um Material über Organisationen, die Geld für Projekte erhalten haben. Gegen eine Strategie der Einschüchterung ist es das Mindeste, Öffentlichkeit zu schaffen.

Am Ende fand das Auswärtige Amt doch deutliche Worte und bat Russlands Gesandten zum Gespräch. Da hatten die russischen Behörden aber ihr Vorgehen noch einmal verschärft – das Büro der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung in St. Petersburg ist nach der Beschlagnahmung aller Computer nicht mehr arbeitsfähig.

Diese neue Belastung im deutsch-russischen Verhältnis wirft ein Schlaglicht darauf, dass es in der deutschen Außenpolitik noch immer keinen klaren Kurs gegenüber Russland gibt, auch nicht nach dem Votum des Bundestags, der eine kritischere Haltung angemahnt hatte. Ausgerechnet an dem Tag, an dem das Vorgehen gegen die Stiftungen bekannt wurde, meldete sich SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück zu Wort: Die westlichen Maßstäbe der Demokratie seien „nicht unmittelbar auf Russland übertragbar“, sagte er – und reihte sich damit ein in die Gruppe derer, die Putin offenbar nicht mit zu viel Kritik verärgern wollen.

Aber auch der Kurs der Bundesregierung ist alles andere als eindeutig. Gerade erst stimmte sie der Forderung Moskaus zu, ausgerechnet russische Staatsbedienstete als Erste von der Visapflicht zu befreien. Solange sich der Kreml auf solche Zugeständnisse verlassen kann, braucht er klare Worte nicht zu fürchten.

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