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Es mutet wie die Love Parade an. Nur die Farben sind weniger variabel.

© ddp

Deutschlands Spiel: Love Parade in Schwarz-Rot-Gold

Sommer, Sonne, vier zu null – so einfach schön kann Fußball sein. Furios und voller Leidenschaft spielte die deutsche Mannschaft im Viertelfinale der WM starke Argentinier aus. Die WM geht in die nächste Märchenrunde.

Die deutsche Nationalmannschaft hat sich erneut zur Begeisterungsgemeinschaft für ein ganzes Land entwickelt, ein paar laue Sommerwochen lang ist sie in den Augen von Millionen des Glückes Unterpfand. Trotz tropischer Hitze tanzten am Sonnabend wieder Hunderttausende auf den Fanmeilen der Republik eine Love Parade in Schwarz-Rot-Gold. Und darin, wie sich die politische Klasse der fußballbegeisterten Masse anzuschmeicheln versucht (Kanzlerin Angela Merkel bricht kurzerhand zum Fanflug auf, um auch mal Teamgeist zu erleben; der neue Bundespräsident Christian Wulff lobt in seiner Antrittsrede Mesut Özils Dribblings) zeigt sich, wie tief die Sehnsucht nach Symbolen ist, die die Gesellschaft verbinden ohne künstlich gezimmerte Brücken. Bemerkenswert, dass die Bindungskräfte mehr und mehr über die Unterhaltungsindustrie vermittelt werden: erst verliebt in Lena, dann vernarrt in Müller.

Der Kern des Erfolgs aber ist bei aller leicht zu entfachenden Begeisterung nach wie vor harte Arbeit – sie liegt der Spielkultur zugrunde, insbesondere im deutschen Fußball. Bundestrainer Joachim Löw, der schnell feinsinnig und ebenso schnell wütend werden kann, hat in der Vorbereitung auf die WM in Südafrika die richtige Balance gefunden. Für sich und sein erfrischendes Team. Seit dem Achtelfinal-Triumph über England, der mit dem Tor, das keines sein durfte, der Nachwelt eine Fußballsage hinterließ, ist dieses Turnier schon ein gelungenes für die junge deutsche Internationalmannschaft. Seither kann sie nur noch gewinnen und tut es mit beeindruckendem Selbstbewusstsein. Zwei Spiele stehen noch aus, sie könnten das Deutschlandbild in der Welt weiter positiv prägen. Andere große Fußballnationen wie Frankreich oder Italien, die den Generationenumbruch verpasst haben, sind längst zu Hause; gescheitert an ihrer Hybris.

Einen guten Grund für den Bundestrainer, nach dieser Weltmeisterschaft aufzuhören, gibt es jetzt nicht mehr – höchstens den Titelgewinn. Natürlich hallt noch immer die geplatzte Vertragsverlängerung und die damit einhergehende öffentliche Düpierung durch den Deutschen Fußball-Bund nach. Doch Löw ist ein Wettkampftrainer, wie er selbst sagt, und er hat sich im Kreise der Nachfolger Michael Ballacks eine Welt geschaffen, in der er sein Talent ausleben kann. Sein Talent: Stolpernde Bundesliga-Stürmer und in der Welt unbekannte Nachwuchsspieler zu einer Turniermannschaft zu formen. Ohne Klinsmannsche Sprüche hat Löw das deutsche Spiel nachhaltig reformiert. Der DFB, der unter dem zwischenzeitlich zu selbstverliebt agierenden Präsidenten Theo Zwanziger die sportliche Leitung öffentlich auflaufen ließ, sollte an die kommenden Verhandlungen mit seinem besten Mitarbeiter mit mehr Taktgefühl und weniger Taktik herangehen.

Deutschlands Traum vom nächsten Weltmeistertitel nach 1990 geht weiter, erst recht nach dem phantastischen Sieg gegen die Argentinier und ihren Trainer aus dem Fußballhimmel. Joachim Löw und seine motivierte Mannschaft können sich ihrer Arbeit und ihrer Spielkunst sicher sein. Ihre große Zeit hat gerade erst begonnen.

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