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Gaddafis Anhänger feiern schon ihren vermeintlichen Sieg. Darf Deutschland da einfach wegsehen?

© dpa

Deutschlands Zögern: Libyen und wir: War da was?

Hinter der deutschen Zurückhaltung bei der Libyenhilfe steckt eine unmenschliche Überlegung: Bei der Opposition wissen wir nicht, woran wir sind, aber Gaddafi kennen wir. Darf man von seinem Land nicht etwas mehr Leidenschaft für die Menschenrechte verlangen?

Zu den intellektuell wenig anspruchsvollen Finten im politischen Geschäft gehört es, inbrünstig zu bestreiten, was niemand behauptet hat, um so das Ausweichen vor der eigentlichen Antwort zu vernebeln. Außenminister Guido Westerwelle sagte in einem Interview des Deutschlandfunks: „Ich möchte nicht, dass deutsche Soldaten in einen libyschen Krieg hineingezogen werden, und ich werde mich auch nicht daran beteiligen, dass mit deutschen Soldaten in Libyen ein Krieg geführt wird.“

Es gibt wohl niemand, der nicht jedem Wort dieses Satzes zustimmen würde. Nur: Darum geht es überhaupt nicht. Von Frankreich und England initiiert, inzwischen auch von den USA unterstützt, die sogar viel weiter gehen wollen, hat der UN-Sicherheitsrat die Einrichtung einer Flugverbotszone über Libyen beschlossen. So sollen die Truppen Muammar al Gaddafis gehindert werden, weiter die Zivilbevölkerung in jenen Regionen unter Feuer zu nehmen, die in der Hand der Opposition sind. Ein solches Flugverbot hätte man vor einigen Tagen noch mit einer Bombardierung der Start- und Landebahnen der Militärflughäfen erreichen können. Die Nato registriert ja schon seit einer Woche mit ihren pausenlos über dem Mittelmeer kreisenden Awacs-Überwachungsflugzeugen auch die kleinste Flugbewegung im libyschen Luftraum. Da sich aber im Sicherheitsrat neben Russland und China bis gestern auch Deutschland auf eine Verzögerungstaktik verlegte, ist der Zeitpunkt wahrscheinlich verstrichen, an dem solche Luftschläge noch Erfolg versprochen hätten.

Hinter der deutschen Zurückhaltung steckt eine unmenschliche Überlegung. Man habe keine ausreichende Kenntnis der libyschen Opposition, heißt es, kenne die Hintermänner nicht, wolle auf keinen Fall islamistische Gruppen unterstützen. Ob Unwissen nicht nur als Schutzbehauptung herhält, ist von außen kaum zu beurteilen. Zynisch muss man es in jedem Fall nennen, bedeutet es doch, aller Sprachhülsen entkleidet: Bei der Opposition wissen wir nicht, woran wir sind, aber Gaddafi kennen wir. Wundert sich da jemand, dass der Diktator das deutsche Verhalten ausdrücklich lobt?

Niemand will militärische Abenteuer. Was in Afghanistan geschieht, ist schon viel zu nahe daran, obwohl das am Beginn anders aussah und anders begründet war. Aber man erwartet in jedem Fall eine weniger mechanistische Betrachtung des Geschehens in Libyen und deutlich mehr Anteilnahme am Freiheitskampf der Anti-Gaddafi-Truppen. Die könnte sich zum Beispiel auch durch mehr deutsche Erkennbarkeit im Weltsicherheitsrat zeigen. Markige Worte sind eine billige Ware, klare Positionen hingegen an der Seite Englands und Frankreichs wären ein gutes Zeugnis dafür gewesen, dass Deutschlands Streben nach einem Sitz in diesem Gremium einen höheren Sinn als die Befriedigung nationaler Eitelkeit hat.

Aber jetzt? Wie gehen wir künftig mit Gaddafi um, sollte ihm die Vernichtung der Opposition gelingen? Überreicht alsbald ein deutscher Botschafter mit eleganter Verbeugung sein Beglaubigungsschreiben in Tripolis? Antichambrieren die Öleinkäufer wieder, kooperieren wir mit dem libyschen Innenminister bei der Unterbindung von Flüchtlingsströmen? Ist es denn wirklich weltfremde Romantik, wenn man sich in dieser Situation von seinem eigenen Land mehr Würde, mehr Leidenschaft für die Menschenrechte und weniger Kälte wünscht?

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