zum Hauptinhalt
Die AfD ist anscheinend eine ernsthafte Alternative für Europaskeptiker.

© dpa

Die AfD und die Europawahl: Infiltriert von Querulanten

Die AfD ist auf jenem Weg, den die Piraten schon hinter sich haben. Auf der Suche nach einer politischen Heimat zieht die Partei immer mehr Radikalinskis an. Sie eint das Gefühl des Ausgeschlossenseins und ein diffuses Dagegen.

Von Anna Sauerbrey

Es tut sich was rechts von der Mitte. Auf fünf bis sieben Prozent bringt es die „Alternative für Deutschland“ (AfD) je nach Institut bei der Sonntagsfrage zur Europawahl in drei Wochen. Die Partei ist offenbar eine echte „Alternative“ für all jene, denen Europa irgendwie zu europäisch ist und die moderne Familie irgendwie zu modern und die Schwulen irgendwie zu schwul und die Meinungsfreiheit irgendwie nicht weitreichend genug.

Ihre Jugendorganisation nimmt sich schon mal die Freiheit, wirbt mit sexistischen Slogans und hat einen stramm rechten Burschenschaftler in ihren Vorstand gewählt (der wieder zurücktreten musste). Fünf bis sieben Prozent, das reicht, um bei den Großen die Muffen zum Sausen zu bringen.

Die CSU hat deshalb Ende vergangener Woche ihr eigenes Europa-Wahlprogramm schon einmal mit einem kräftigen Schuss Rechtspopulismus nachgewürzt. Braut sich da etwas zusammen am Rand der Konsensgesellschaft? Sind die Dinge, auf die sich die Mitte mit ihrer großen Koalition in den vergangenen Jahren im Groben geeinigt hatte – das Bekenntnis zur Überwindung des Nationalismus, zur multikulturellen Gesellschaft, zur Gleichberechtigung – vielleicht doch für viele zu viel auf einmal? Horst Seehofers politische Spürnase scheint jedenfalls Fährte aufgenommen zu haben.

Radikalisierung an den Rändern

In Zeiten der großen Koalition ist der Konformitätsdruck der Mitte hoch. Das mag tatsächlich zu einer gewissen Radikalisierung an den Rändern führen. Ein Gefühl des Ausgeschlossenseins, das Gefühl, es herrsche ein Sarrazinsches Schweigegebot, mag sich verbreiten. Alles in allem aber kann man gelassen bleiben (und auch die CSU sollte das tun). Denn anders als in Frankreich oder Österreich haben es Grüppchen jenseits der politischen Mitte in Deutschland bislang nie geschafft, zu einer echten „Bewegung“ zu wachsen. Und vieles spricht dafür, dass das auch diesmal nicht der Fall sein wird.

Zum einen verbindet viele derer, die sich bei den etablierten Parteien nicht aufgehoben fühlen, inhaltlich letztlich wenig – außer eben der Glaube, von der Mehrheit unterdrückt zu werden. Das zeigt auch die Vielfalt derer, die sich nun in der AfD sammeln. Da sind die, die sich vor den Griechen fürchten. Da sind jene, die überzeugt sind, dass die Beschäftigung mit Homosexualität im Schulunterricht die Sexualmoral der Jugend untergräbt. Da sind die, für die die Europäische Union nicht viel mehr ist als ein Umverteilungsmechanismus für Sozialschmarotzer, und die, die Angst haben, die Frauenquote versaue ihnen die Karriere.

Dass all das in einer Person zusammenkommt, ist selten. Zuwanderungsangst, Homophobie und Sexismus kennen kein Milieu. Und ansonsten verbindet die stockkonservative Adelige politisch wenig mit dem Duisburger, der sich ärgert, dass die Roma im Nachbarhaus den Müll aus dem Fenster werfen. Anders als den etablierten Parteien fehlt den neuen Gruppierungen – den Pro-Parteien ebenso wie der AfD, aber auch den Piraten – eine positive Ideologie. Was den Grünen die Ökologie, der SPD das Soziale und der Union das Christliche, ist der AfD nur das Dagegen.

Hinter durchaus fähigen Figuren sammeln sich Querulanten

Kommt einmal eine charismatischen Persönlichkeit daher (wie Ronald Schill) oder eine (Euro-)Krise oder aber der Zeitgeist ist günstig („Das Internet ist in Gefahr!“), bilden sich dennoch Parteien, die dann gern von Radikalinskis aller Art auf der Suche nach einer politischen Heimat infiltriert werden. Das mussten die Piraten erleben, und das kennt auch die AfD. Hinter einigen durchaus fähigen Figuren sammeln sich dann Querulanten.

Aber Querulanten paktieren nun einmal nicht gut. Gemeinsam ist ihnen ein Absolutismus im Denken, der es ihnen erschwert, mit anderen gemeinsame Sache zu machen. Und bevor es gelingt, eine gemeinsame Idee zu entwickeln, stirbt die Partei an der Psychopathologie ihrer Mitglieder. So war es bei den Piraten – und auch bei der AfD scheint es einige zu geben, die Bernd Lucke das Politisieren schwer machen.

Die inhaltliche Profilierung der AfD ist noch nicht abgeschlossen. Derzeit lässt die Partei über ihre politischen Leitlinien abstimmen. Vielleicht klappt es ja und die „Alternative“ findet tatsächlich so etwas wie eine tragende Erzählung. Im Moment aber scheint es wahrscheinlicher, dass die Europäische Kommission als Verschwörung feministisch-sozialistischer Griechen enttarnt wird, als dass aus der wirren Vielzahl der „Dagegen“-Stimmen so etwas wie eine Bewegung wird, vor der sich die Mitte fürchten muss.

Zur Startseite