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Die Affäre um Sebastian Edathy: Es geht um alles - für die SPD

Sebastian Edathy! Das klingt wie: Achtung, Gefahr! Die Klärung der Affäre wird hochheikel – zumindest für die SPD. Wenn es nur einen erwischt... Oje. Ein Kommentar

Edathy! Ein Name, ja. Aber auch ein Fanal. Und ob der Name ein Menetekel für die SPD wird, hängt von wem ab? Ja, der SPD. Nicht zuletzt. Wie sie reagiert, wie ihre Großen reagieren, voran Thomas Oppermann, der Fraktionsvorsitzende, wird zwar nicht alles entscheiden. Das nicht. Aber doch immerhin manches vorentscheiden für die Zeit, in der es wieder Wahlkampf gibt.

Also noch einmal: Edathy! Achtung, Gefahr! Was der Ausschuss zu dem früheren SPD-Abgeordneten bisher herausgefunden hat, ist ziemlich – ja, wie sagt man am besten? Na, sagen wir doch mal: unappetitlich. Und so ist der Fall, mit großer Wirkung bis heute: Der Name Sebastian Edathy taucht im Jahr 2011 auf der Kundenliste eines Kanadiers auf, der mit Nacktaufnahmen von Minderjährigen und mit Kinderpornografie handelt. Das Bundeskriminalamt nimmt Ermittlungen gegen alle in Deutschland lebenden Kunden auf. Und 2013 – erst 2013 – fällt auf, dass zu den Kunden auch der Bundestagsabgeordnete Edathy gehört.

Nur am Rande: Die BKA-Abteilung Kindesmissbrauch leitet inzwischen ein Beamter, der von Edathy in dessen Zeit als Vorsitzender des Untersuchungsausschusses zu den Morden der rechtsextremen Terrorgruppe NSU selbst als Zeuge befragt worden war.

Man stelle sich vor, wenn nur einer von denen … Oje

So, und jetzt kommt’s: Ob und von wem Edathy schon im Herbst 2013 – vier Monate vor der Durchsuchung seiner Büros – erfahren hat, dass gegen ihn ermittelt wird, ist bisher nicht geklärt. Und diese Klärung wird hochheikel. Einmal wegen der Personen, die das auch noch betrifft, darunter Oppermann, und weil der Ausschuss unter Leitung von Eva Högl steht. Die ist – Sozialdemokratin. Die Klärung ist außerdem deswegen hochheikel, weil Edathy verdächtigt wird, dass er zum Beispiel eine Computerfestplatte mit Beweisen hat verschwinden lassen. Nachdem er gewarnt wurde. Von Parteikollegen. Also kurz: Warnte einer Edathy? Und wenn ja, wer?

Eines ist schon klar: Ex-BKA-Präsident Jörg Ziercke, ein Sozialdemokrat, hat damals den Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich von der CSU informiert, der wiederum dem SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel davon berichtet hat. Dafür hat Friedrich dann ja auch gehen müssen. Burschikos gesagt: Einen hat es schon erwischt in dieser Affäre. Nur ist der kein Sozialdemokrat, sondern ein Christsozialer. Der sich nichts Böses dabei dachte. Wer die Christsozialen, an der Spitze Horst Seehofer, kennt, der weiß: Sie sind begabt auch im Übelnehmen. Und haben ein langes Gedächtnis für das, was sie aus ihrer Sicht als ungerecht betrachten. Das bedeutet für den Ausschuss unter Eva Högl noch weniger Gutes.

Der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy nach der Sitzung des Untersuchungsausschusses des Bundestages am 18. Dezember.
Der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy nach der Sitzung des Untersuchungsausschusses des Bundestages am 18. Dezember.

© dpa

Was passiert, wenn bei der SPD alle Karten auf den Tisch gelegt werden, wie gerade die Obfrau der Grünen im Edathy-Ausschuss gefordert hat, ist genau die Frage, die große. Richtig wär’s, das ist keine Frage. Rechtsstaatlich sowieso, moralisch, ach, unter allen erdenklichen Gesichtspunkten. Dann bedeutet „alle Karten auf den Tisch“ logischerweise: Es geht um alles.

Da darf sich keiner etwas vorzuwerfen haben. Nicht Edathys Abgeordnetenkollege Michael Hartmann, nicht Thomas Oppermann, nicht Oppermanns Vorgänger im Fraktionsvorsitz, der zur fraglichen Zeit noch Frank-Walter Steinmeier hieß, nicht der von Hans-Peter Friedrich informierte Sigmar Gabriel. Man stelle sich vor, wenn nur einer von denen … Oje. Dann hätte die SPD in der großen Koalition die allergrößten Probleme. Die Koalition natürlich auch.

Edathy – wie ein Warnruf klingt das

Zumal die SPD sowieso gerade Probleme mit sich hat, mit ihrem Selbstbewusstsein. Wieder einmal macht sie gute Arbeit, das kann man ruhig mal sagen, arbeitet fleißig ihre Agenda ab, so dass der Koalitionsvertrag nach bloß einem Jahr schon sehr weit umgesetzt ist – und wer heimst das Lob ein? Angela Merkel. Wenn die Bundeskanzlerin wirklich als die Vorsitzende aller Sozialdemokraten im Land wahrgenommen würde, wie FDP-Chef Christian Lindner gallig sagt, dann wäre das vielleicht halb so schlimm für die echten Sozialdemokraten … Aber so ist es ja nicht, und deswegen grämt sich die SPD.

Soll es wieder so kommen wie in der vorigen großen Koalition, als die SPD zum Dank für alles Geleistete immer kleiner wurde? Soll sie etwa noch kleiner werden? 25 Prozent sind, frei nach Willy Brandt, schon kein gutes Ergebnis, nicht für eine Volkspartei, die die SPD doch immer noch sein will. Dauerhaft weniger als 25 Prozent, und sei es in Umfragen – dann werden die Genossen aber ernsthaft Angst bekommen. Und wer Angst bekommt, neigt zu Übersprungshandlungen. Nach dem Motto: Bloß weg hier oder so.

Wenn also in dieser Situation der Fall Edathy zum Fall irgendeines Garanten der Stabilität würde, eines derjenigen, die wichtig sind fürs innere Gleichgewicht der SPD, dann könnte das ein Menetekel sein. Der Begriff kommt übrigens, wo wir doch gerade in der Weihnachtszeit sind, aus der Bibel, dem Alten Testament. Ganz verkürzt geht es darum, dass Gott König Belsazar Vorzeichen drohenden Unheils schickt, ihm seinen Untergang und den des Königreichs ankündigt. Ganz so schlimm wird es natürlich nicht kommen. Aber Edathy – wie ein Warnruf klingt das schon.

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