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Meinung: Die anderen Amerikaner

Lateinamerika will den USA nicht mehr bedingungslos in eine Freihandelszone folgen

Die Handschläge sind nicht mehr so herzlich, das Lächeln von George W. Bush wirkt künstlich. Beim aktuellen Amerika- Gipfel ist spürbar: Die Charme-Offensive der ersten beiden Amtsjahre des US-Präsidenten bei den Nachbarn im Süden ist verpufft. Von einem „westlichen Erdteil“ war damals noch die Rede – gemeint war ganz Amerika. Erstmals hatte die Bush-Regierung den Begriff „Amerikaner“ auf alle Menschen des Kontinents angewendet. Wir gehören zusammen, war die Botschaft, und sie war neu. Die Menschen im Hinterhof der USA hörten sie mit Wohlwollen, und schon glaubte man, eine neue Ära besseren Verständnisses werde anbrechen. Das war naiv.

Den USA ging es zwar auch um die Verbesserung des historisch angespannten Verhältnisses zum Subkontinent, beispielsweise wegen der zahlreichen von ihnen unterstützten Militärputsche. Aber das war vor dem 11. September, dem Anti-Terrorkampf und zwei Kriegen. Jetzt sind die USA ungeduldig und wollen mit Gewalt die angedachte Freihandelszone von Alaska bis Feuerland durchsetzen – gegen den Gesprächsbedarf vieler Südstaaten und deren berechtigte Sorgen, in dieser Partnerschaft nur Verlierer zu sein.

Und so hat sich das langsam aufgewärmte Verhältnis rasch abgekühlt, zumal nun auch die führenden drei Länder Lateinamerikas aus unterschiedlichen Gründen neues Selbstbewusstsein zeigen, wozu sie auch die Wirtschaftskrise zwingt. Mexiko ist über eine eigene Freihandelszone sowieso engstens mit den USA verbunden. Doch Präsident Fox will heraus aus dieser Abhängigkeit und hat mit Europa und Deutschland eigene Freihandelsabkommen vereinbart. Brasilien ist ohnehin Motor Lateinamerikas, und Präsident Lula inszeniert sich als Wortführer. Argentinien geht es so schlecht, dass es mit seinem Rivalen Brasilien zusammenarbeitet und den totgeglaubten Mercosur, den wirtschaftlichen Zusammenschluss der wichtigsten südamerikanischen Länder, stärkt – nur um Unabhängigkeit von den USA zu demonstrieren.

Die neue Geschlossenheit ist angesichts der wachsenden Zahl von politisch instabilen Ländern (Argentinien, Peru, Kolumbien, Venezuela, Bolivien) zwar bemerkenswert – aber nicht mehr als ein Symbol. Solange sich an der geopolitischen Bedeutungslosigkeit Lateinamerikas und der finanziellen Abhängigkeit von Washington nichts ändert, wird keines dieser Länder die Beziehungen zu den USA ernsthaft gefährden wollen.

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