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Meinung: Die Berliner Ampel: Wer weiß schon, wer am Ende blinkt

Rot, gelb, grün. Das ist noch nicht das politische Farbspektrum Berlins.

Rot, gelb, grün. Das ist noch nicht das politische Farbspektrum Berlins. Es ist noch nicht ausgemachte Sache, dass Sozialdemokraten, Liberale und Bündnisgrüne ab Dezember gemeinsam die Hauptstadt regieren. Nur der erste Schritt ist gemacht, mit der Grundsatzentscheidung der Landes-SPD, Verhandlungen über die Bildung einer Ampelkoalition aufzunehmen. Vorläufig ist das eine Absage an die PDS. Aber nur vorläufig. Klaus Wowereit, der kühle Taktiker, wird sich die alternative Option einer rot-roten Landesregierung nicht für die gesamte fünfjährige Wahlperiode aus der Hand nehmen lassen. Nicht einmal vom Kanzler und SPD-Parteichef Gerhard Schröder, der vor der Bundestagswahl 2002 unbedingt verhindern will, dass die PDS in der Hauptstadt mitregiert. Das könnte den Wahlkampf erheblich stören.

Zum Thema Online Spezial: Berlin hat gewählt Die Genossen in Berlin haben das verstanden; sie sind vorerst loyal, weil die finanziell Not leidende Stadt ihrerseits die Loyalität des Bundes und der Länder unbedingt braucht. Sogar die SPD-Parteilinke ist bereit, mit den wenig geliebten Freien Demokraten über eine Regierungsbeteiligung zu verhandeln. Wird das ein Zweckbündnis, das den Osten ausgrenzt? Eine Koalition der alten, mitte-links gestrickten Westparteien? Ja und nein. Wahlarithmetisch gesehen ist eine Regierung aus SPD, FDP und Grünen nur in den Westbezirken ausreichend legitimiert. Andererseits - hätten sich die Berliner Sozialdemokraten für Koalitionsverhandlungen mit der PDS entschieden, wären jetzt die West-Berliner kräftig verschnupft. Fremdherrschaft aus dem Osten... Nun gut, dazu kommt es vorerst nicht. Nun müssen erst einmal die Ost-Berliner die Fremdherrschaft aus dem Westen mit liberaler Handschrift erdulden. Wir leben, zwölf Jahre nach dem Mauerbau, immer noch in einer merkwürdig gespaltenen Stadt.

Regiert werden muss sie trotzdem: gesamtstädtisch, hauptstädtisch, großstädtisch. SPD, FDP und Grüne wollen es miteinander versuchen. Das sachpolitische Fundament für ein Ampelbündnis ist auch nicht so bröselig wie ursprünglich zu befürchten war. Es gibt zwar Knackpunkte in der Verkehrs-, Sozial-, Wirtschafts- und Finanzpolitik, die wegverhandelt werden müssen. Doch wer erlebt hat, wie sich Sozial- und Christdemokraten drei Mal seit 1990 in wochenlangen, hoch dramatischen Koalitionsgesprächen zur gemeinsamen Regierungsverantwortung gequält haben, kann jetzt nur mit den Schultern zucken. Streit um ein paar Sachfragen, na und? Daran wird Rot-Gelb-Grün gewiss nicht im Vorfeld scheitern.

Das Hauptrisiko liegt vielmehr darin, dass Personen und parteipolitische Kulturen aufeinanderprallen, die einander ganz und gar fremd sind. Die Sollbruchstelle der Berliner Ampelkoalition bleibt das Verhältnis zwischen Liberalen und Grünen, die auch auf Bundesebene heftig miteinander konkurrieren. Wobei Günter Rexrodt und seine Berliner FDP momentan so selbstbewusst in sich ruhen, dass sie wesentlich bruchfester erscheinen als der Koalitionspartner in spe, die Grünen. Deren Parteibasis benötigt schon wieder eine Woche Bedenkzeit, um zu entscheiden, ob man überhaupt mit der FDP anbandeln will. So als wäre die Frage - Ampel oder nicht - in der vergangenen Nacht völlig überraschend vom Himmel gefallen.

Mit ihrem Gezicke und Getue machen sich die Grünen schon wieder zur Geisel der SPD. Schön dumm. Mit der PDS wollen sie nicht, mit der CDU erst recht nicht und die FDP mögen sie nicht. Von der Experimentierfreude, die die Grün-Alternativen in Berlin (West) einst ausgezeichnet hat, ist offenbar nichts übrig geblieben. Natürlich ist die Ampelkoalition, die in Bremen und Brandenburg einigermaßen kläglich scheiterte, auch in Berlin ein waghalsiges Experiment mit ungewissem Ausgang. Um mit zwei Parlamentsmandaten über der absoluten Mehrheit zu regieren, benötigen SPD, FDP und Grüne sehr viel Selbstvertrauen, sehr viel Vertrauen zueinander und gute Nerven.

Trotzdem kann es nicht schaden, die Ampel probeweise leuchten zu lassen. Und sollte es - vielleicht nach der Bundestagswahl - doch verstärkt rot-rot blinken: In Berlin, der Werkstatt der deutschen Einheit, wird man dann wohl ein bisschen experimentieren müssen.

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