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Meinung: Die Bürger und ihr Meister

Schlechte Werte für den Berliner Senat, doch die Opposition bietet keine Alternative

Bis vor wenigen Tagen war Finanzstaatssekretär Frank Bielka den wenigsten Berlinern bekannt: Das hat sich gründlich geändert. Der verdiente Sozialdemokrat will Chef einer landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft werden, nachdem er als bisheriges Aufsichtsratsmitglied dieser Gesellschaft seine künftigen Bezüge kräftig erhöht hat.

Selbstbedienung im Senat, das kommt nicht gut an in einer Stadt, deren Bevölkerung ständig neue Grausamkeiten zugemutet werden. Das ist keine neue Politik, sondern altbekannter Filz und Vorteilsnahme. Der Fall Bielka trifft die Stimmungslage der Stadt. Der Senat muss zeigen, dass er glaubwürdig handelt. Nur dann werden auch die Zumutungen akzeptiert, die Finanzsenator Thilo Sarrazin am Donnerstag in seinem Haushaltsentwurf für 2004/2005 auflistete. Sparen, kürzen, abbauen – diesen Dreiklang können die Berliner schon jetzt nicht mehr hören. Fast achtzig Prozent der Berliner sind unzufrieden mit der Arbeit des Senats, selbst bei den Anhängern von SPD und PDS überwiegt der Frust, ermittelte Infratest dimap im Auftrag des Tagesspiegels. Würde jetzt gewählt, diese Koalition hätte keine Mehrheit.

Alarmierend für das SPD-PDS-Bündnis: Derzeit ist die Unzufriedenheit deutlich größer als zum Amtsantritt von Rot-Rot, obwohl die Regierungsbeteiligung der SEDNachfolger längst kein Thema mehr ist in der Stadt. Zum Sparkurs gibt es angesichts des gigantischen Schuldenbergs keine Alternative. Aber als Programm reicht es den Berlinern längst nicht mehr. Die Hauptstädter sind dabei in vielem ein Spiegelbild der Republik: Das Wissen, dass vieles anders werden muss, entfacht nicht zwangsläufig Begeisterung. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit hat mit kühler Entschlossenheit und zuweilen auch Brutalität ernst gemacht mit der Konsolidierung der nahezu bankrotten Stadt und sich auch mit dem öffentlichen Dienst angelegt. Doch eine Perspektive für die Entwicklung Berlins fehlt.

Diese Perspektive aber bietet die Opposition ebenfalls nicht. Sie hat auch keine Köpfe, die den Berlinern überhaupt bekannt sind. Und jene, die bekannt sind, bekommen auch noch schlechte Noten. Die Christdemokraten haben nach ihrem lähmenden Führungsstreit und der Ablösung des ungeliebten Fraktionsvorsitzenden Frank Steffel noch nicht Tritt gefasst. Und auch die Grünen haben es nicht geschafft, neben der Finanzpolitik neue Zukunftsthemen zu besetzen. Vor allem aber können auch andere Regierungskonstellationen die Berliner nicht begeistern. Die lähmenden Jahre der Großen Koalition von SPD und CDU sind noch in den Köpfen. Und für ein schwarz-grünes Bündnis, über das die grüne Führung vorsichtig nachdenkt, gibt es erst recht keine Mehrheit. Die Stärke dieser Landesregierung ist deshalb die Schwäche ihrer politischen Gegner. Beruhigend ist das nicht. Rot-Rot hat nur eine Alternative: geordnet weiterzumachen bis zum regulären Wahltermin 2006 – und darauf hoffen, dass sich bis dahin erste Sanierungserfolge zeigen.

Bis dahin muss Wowereit es richten. Nahezu jeder zweite Berliner ist mit der Arbeit des Regierenden Bürgermeisters zufrieden oder sehr zufrieden: ein Star unter vielen Statisten. Bei nahezu allen anderen Politikern – ob aus dem Regierungslager oder der Opposition – überwiegt die Kritik, ermittelte Infratest dimap. Die Hoffnung auf eine neue Politik – das ist in Berlin eine Ein-Mann-Show. Doch wer überzeugen will, muss überzeugend handeln und nicht nur gute Laune verbreiten. Der Skandal um die Bankgesellschaft hat die rot-rote Koalition ins Berliner Rathaus gebracht. Der Fall Bielka ist deshalb ein Fall für Wowereit. Kürzungen ertragen die Berliner zähneknirschend – Skandale nicht.

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