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Meinung: Die Entführung aus dem Detail

Von Caroline Fetscher

Sie wären wunderbar als Motto der Stunde, die sieben Worte des Innenministers. In den Minuten des Durcheinanders nämlich, als sich Wolfgang Schäuble und Vertreter muslimischer Organisationen gestern nach der „Ersten Deutschen Islamkonferenz“ aufs Podium begaben, hörte man den Minister in schöner, badischer Gelassenheit sagen: „Herr Mohammed, kommen Sie an meine Seite!“

Gemeint war natürlich nicht der Prophet, sondern der Deutsch-Libanese Badr Mohammed, Generalsekretär des Europäischen Zentrums für Integration in Berlin und Brandenburg. Weder hat er, noch haben seine Mitstreiter beim „historischen Durchbruch im interkulturellen Dialog“, wie Badr Mohammed die Tagung nannte, uns das Absetzen einer Mozart-Oper beschert. Zu diesem aus der Panik geborenen Akt der Ohnmacht hatten sich Nichtmuslime der deutschen Kulturelite entschieden. Auch der Aufschrei über eben diesen Akt kommt aus dieser Gruppe. Ebenso kam die Selbstzensur der deutschen Zeitungen zustande, als im Frühjahr radikalisierte Muslime gegen ein Dutzend dänischer Karikaturen Sturm liefen. Damals traute sich kaum ein deutsches Blatt, die angefeindeten Dänenbilder zu bringen. Heute bricht sich Empörung Bahn über den Irrwitz der Selbstzensur. Mit Recht hielt Berlins Innensenator Körting das den Medien vor, als beschämende, rhetorische Frage: „Warum haben nicht alle deutschsprachigen Zeitungen die Karikaturen auf der ersten Seite abgedruckt?“

Ja, warum? Dies Detail eines unreflektierten Antagonismus ist symptomatisch. Es beweist eine demokratische Nichtfestigkeit der Mehrheitsgesellschaft, eine Unbalanciertheit, die kaum dazu angetan ist, die richtigen Signale an Minderheiten zu senden. Erst wenn die Mehrheit auch der demokratischen Medienvertreter, Spielräume und Grenzen unserer Demokratie klar versteht und vermittelt, wenn wir sicher zu unterscheiden wissen zwischen Freiheit und Erpressung, wird der Dialog, um den es gehen soll, fruchtbar. Wer heute am falschen Ort nachgibt, kann morgen nicht erwarten, dass die Dialogpartner die Signale korrekt lesen. Denn bei den Partnern, wie Schäuble sie nennt, geht es ebenfalls oft um Details – um das Wesentliche, das im Kleingedruckten steckt. Grundgesetz ja – aber meine Töchter sollen nicht zum Sportunterricht. Grundgesetz okay – aber Sex vor der Ehe ist nur für junge Männer gut. Grundgesetz gut – aber in der Kunst bitte kein Spott über Heiliges. Freiheitsrechte, sagte Schäuble, „müssen auch verteidigt werden“. Er sagte das nicht in erster Linie zu den Muslimen im Land.

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