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Meinung: Die FDP – sozial und ökologisch

Die Liberalen müssen sich programmatisch reformieren Von Jürgen Dittberner

Die FDP tut das Beste, was eine Opposition tun kann, die an die Regierung will: Sie debattiert ihren Standort. Und sie positioniert sich: Am morgigen Freitag kommt die Parteispitze in Stuttgart zu ihrem traditionellen Dreikönigstreffen zusammen.

Als die Union 1969 die Macht verlor, brauchte sie 13 Jahre, bis sie ein dann 16 Jahre währendes Bündnis mit der FDP schloss. Diese Zeit benötigte die SPD, um die Union vom Sockel zu stoßen.

13, 16 Jahre: Die FDP ist seit gut 7 Jahren in der Opposition. Sie leidet am Machtverlust. Nun beginnen einige in der Partei die Reformdebatte. Andere suchen nach kurzen Wegen zur Macht. Will die Partei eine Zukunft haben, müssen sich die Reformer durchsetzen.

Es kommt vom Schielen nach schnellem Machtgewinn, wenn einige in der FDP jetzt darüber spekulieren, welche andere Partei als Bündnispartner in Frage käme. Die Grünen seien bürgerlich, weltoffen und freiheitsliebend, wird gesagt. Die FDP müsse deren Partnerschaft suchen. Diese wäre strategisch so raffiniert, dass man entweder die Union („Jamaika“) oder die SPD („Ampel“) als Partner gewinnen könne. So spekulieren kurzfristig Denkende.

Sie übersehen: Will die FDP in eine andere Lage kommen, muss sie sich selber ändern. Guido Westerwelle hat das erkannt. Mit einem Riesenhupfer würde man auf dem Bauch landen. Er schlägt vor, das Programm zu erweitern – „neosozial“ und „ökologisch“.

Die FDP gilt als Partei der sozialen Kälte, weil sie den Rückbau des Sozialstaates und die Freisetzung unternehmerischer Tätigkeit konsequent verfolgt. Also muss sie sagen, wie ihre Politik gerecht sein kann. Das bedarf einer überzeugenden Argumentation. Ob sie gelingt, ist nicht sicher. Falls nicht, kommt die Partei nicht von der Stelle. Denn sie braucht Politiker, denen die soziale Gerechtigkeit eine Herzensangelegenheit ist wie anderen die Ordnungspolitik. Mit dem Begriff „neosozial“ allein ist es nicht getan.

Mit der Umweltpolitik könnte die FDP auf ein Gebiet zurückkehren, das sie einst entdeckte und beim Wechsel 1982 verlassen hatte. Der Naturschutz müsste gleichwertig neben die Ökonomie treten und anders als über Quoten und Abgaben zu erreichen sein. Gäbe es hierzu liberale Vorschläge, würde das die Debatte ungemein befruchten.

Mit dem Blick über die Wirtschaft hinaus weist Westerwelle einen Pfad. Richtig ist, den ersten Schritt vor dem zweiten zu tun. Doch da stolpert der Parteivorsitzende. Ein Vorurteil bringt ihn dazu, jede Kooperation mit den Grünen von vornherein abzulehnen. Was haben die Grünen ihm getan? Soll er doch diese sich selber überlassen! Auch die Grünen stehen ohne Macht da und müssen zeigen, ob „grün“ eine praktische politische Idee ist oder nur ein diffuses Lebensgefühl. Man sollte die Konkurrenz nie unterschätzen. Klüger wäre es, abzuwarten, ob die Grünen es schaffen, eine Partei der milieunahen Gesellschaftsreformer zu werden.

Andere FDP-Funktionäre pflegen Wunschdenken und behaupten, man könne den Großparteien viele Wähler abnehmen. Natürlich, der Wettkampf der Parteien hört nie auf. Aber noch ist ja möglich, dass die Union unter ihrer nüchternen Kanzlerin als Partei der Pragmatiker in allen Schichten expandiert.

Der FDP sollte nicht von Bündnissen träumen – auch keines tabuisieren –, sondern sich modernisieren. Zeit dafür hat sie. So schnell wird die große Koalition nicht scheitern. Die Opposition bietet die Chance zur Erneuerung.

Klar ist, dass auch eine Reformpartei immer wieder Koalitionen bilden muss. Nur brauchen die nicht von grundsätzlicher Bedeutung zu sein. Länderkoalitionen haben regionale Bezüge.

2006 stehen Optionen an: in Baden-Württemberg das Bündnis mit der CDU und in Rheinland-Pfalz das mit der SPD. Anders in Berlin. Ein Abschied von „Rot-Rot“ könnte mit der „Ampel“ oder auch „Jamaika“ gehen.

Der Autor lehrt Politikwissenschaften an der Universität Potsdam und ist FDP-Mitglied.

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