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Barack Obama hat am Samstagabend eine Entscheidung für eine Militäraktion gegen Syrien getroffen. Einen genauen Zeitpunkt nannte er nicht.

© dpa

Die Geschichte von Ali: Wie Obama im Syrienkonflikt ein Versprechen bricht

Barack Obama hatte in seiner Kairoer Rede 2009 den Arabern Freiheit versprochen. Jetzt bricht er sein Versprechen und taktiert, anstatt eine unmissverständliche Antwort auf die Giftgasangriffe zu geben. Viele Araber sind bitter enttäuscht.

Nennen wir ihn Ali, Ali Ramadan. Er wohnt in der Nähe von Damaskus, ist Sunnit, war 18 Jahre alt, als Barack Obama im Juni 2009 in Kairo seine Versöhnungsrede an die islamische Welt hielt. Ali war gespannt, oder besser: neugierig. Amerika mochte er nicht. Der Krieg von George W. Bush im Nachbarland Irak hatte Leid und Zerstörung gebracht, Alis Glaubensbrüder, die Sunniten, hatten ihre Macht verloren. Dumm, arrogant, brutal: So kam Ali der selbst ernannte Weltpolizist vor.

Doch dieser Obama, Mittelname Hussein, war anders. Umgänglicher, inspirierender. Nun rief er zu einem „Neuanfang zwischen den Vereinigten Staaten und den Muslimen überall auf der Welt“ auf. Das klang neu und verheißungsvoll.

Besonders beeindruckt war Ali von dem Versprechen Obamas: „Alle Menschen sehnen sich nach bestimmten Dingen: der Fähigkeit, seine Meinung zu äußern und ein Mitspracherecht dabei zu haben, wie man regiert wird. Sie wollen Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit und die Gleichheit vor dem Gesetz, eine Regierung, die transparent ist und die Menschen nicht bestiehlt, sowie die Freiheit, so zu leben, wie man möchte. Das sind nicht nur amerikanische Ideen, es sind Menschenrechte. Und aus diesem Grund werden wir sie überall auf der Welt unterstützen.“

Wenig später überschlugen sich die Ereignisse. Der Arabische Frühling ward geboren. In Tunesien stürzte das Volk den Diktator, ebenso in Ägypten. Nach kurzem Zögern hatte sich Obama auf die Seite der Freiheitskämpfer gestellt: Hosni Mubarak wurde fallen gelassen, Einwände aus Israel wurden ignoriert. Es folgte der Aufstand in Libyen, in der Stadt Bengasi drohte ein Massaker. Im März 2011 hielt Obama seine Rede an die Nation: „Einige Nationen mögen in der Lage sein, Gemetzel in anderen Ländern auszublenden. Wir sind da anders.“ Außenministerin Hillary Clinton assistierte: „Die Welt hat nicht auf ein zweites Srebrenica an einem Ort namens Bengasi gewartet.“

Frankreich, England und Amerika intervenierten, Muammar Gaddafis Tyrannei wurde beendet. Für Ali war längst klar, dass die Stunde auch für ihn und viele andere Syrer geschlagen hatte, sich gegen das Regime von Baschar al Assad aufzulehnen. Die Freiheit vor Augen, den Zeitgeist im Rücken, endlich wehte der Wind des Wandels auch in seiner Heimat.

Doch etwas war anders. Amerika blieb seltsam ruhig. Ali verstand das nicht. Immer höher die Flüchtlings- und Opferzahlen, immer brutaler die Armee. Aus purer Verzweiflung schlossen sich Ali und seine Mitstreiter einer Gruppe Dschihadisten an, langsam radikalisierten auch sie sich. Doch Obama schwieg weiter, er schien nur Angst vor den syrischen Chemiewaffen zu haben. Wer die einsetze, überschreite eine „rote Linie“.

Was als Warnung gemeint war, verstand Assad offenbar als Ermunterung. Knapp 500 durch Giftgas ermordete Kinder waren die Folge. Erst polterte Obama, dann taktierte er. Assad stürzen ginge ohnehin nicht. Erst einmal soll das Parlament konsultiert werden.

Ali hofft auf gar nichts mehr. Er ist enttäuscht, bitter enttäuscht. Ein wenig fühlt er sich auch hereingelegt – von einer Welt, in der Worte Schall und Rauch sind. Sein weiteres Leben wird er wohl im noch größeren Elend verbringen – als Strafe für seine Gutgläubigkeit.

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