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Meinung: Die Grünen: Wenn er sich ändert, bleibt sie ihm treu

Deutschland im Wartezimmer des Krieges, dunkle Gedanken kommen auf. Besonders bei den Grünen.

Deutschland im Wartezimmer des Krieges, dunkle Gedanken kommen auf. Besonders bei den Grünen. Doch wer sich nun besorgt die Partei beäugt, ob sie in dieser Krise endlich erwachsen wird, sollte eines nicht vergessen: Die Grünen repräsentieren mit all ihren Skrupeln, Ängsten und Bedenken gegenüber militärischen Maßnahmen nicht fünf Prozent der Bevölkerung, sondern mindestens fünfzig, wenn man den Umfragen glauben darf. Sie verhalten sich nicht typisch grün, sondern typisch deutsch. Wenn es also Kanzler und Vizekanzler nicht gelingt, die Grünen zu überzeugen, dann wird es ihnen auch schwer fallen, die Bürger zu gewinnen.

Für die Grünen selbst geht es um das Bündnis mit der SPD und um das mit Fischer. Im Moment reagieren sie darauf mit Anflügen von Panik. Zwei Schreckensszenarien werden laut erörtert, das militärische in Afghanistan, das politische hier in Berlin. Das eine landet bei Flächenbombardements, das andere bei einem parteilosen Außenminister. Beides ist überdreht und verfrüht. Natürlich kann es sein, dass die Einsätze der Nato zum Flächenbrand ausarten. Selbstverständlich wird sich Fischer im Extremfall für seinen Amtseid entscheiden und gegen die Partei. Aber was hilft es, jetzt darüber zu debattieren? Wenig. Dass die Grünen es dennoch tun, zeigt wie verunsichert sie sind. Dabei war der 11. September zur Hälfte eine Bestätigung ihres Weltbildes. "Wenn du nicht zu den Problemen gehst, dann kommen die Probleme zu dir" - das ist grüne Philosophie. Der Isolationismus der US-Regierung hingegen wurde furchtbar widerlegt.

Die andere Hälfte des grünen Weltbildes ist durch den neuen Terrorismus zertrümmert worden. Die Partei dachte immer, das Weiche sei stärker als das Harte. Man glaubte, dass es das Böse nicht gibt und wenn doch, dass es sich mit Geld und guten Worten zum Verschwinden bringen lässt. Perdu. Wer global Verantwortung tragen will, muss zum Einsatz auch der harten Mittel fähig sein, ökonomisch, militärisch, geheimdienstlich. Nun stehen die Grünen mit einem halbierten Weltbild da. Hinzu kommt die Überlastung der Gefühle. Es ist für Grüne wieder alles wie beim Kosovo-Krieg, nur: schon wieder. Und noch gefährlicher. Das überdehnt ihre Leidensbereitschaft, auch die - da solle sich niemand täuschen - von Realo-Wählern.

In dieser Situation kommt es sehr auf das Verhältnis zwischen der Partei und ihrem Vizekanzler an. Fischer hat eine große Stärke: Er ist ein ziemlich guter Außenminister. Und eine große Schwäche: Er ist ein ziemlich schlechter Parteiführer. Schon oft hat er mit zu wenig Sorgfalt und zu viel Herablassung innerparteiliche Entscheidungen betrieben. Diese Gefahr besteht auch jetzt, nicht weil er die Aufgabe nicht ernst nähme, sondern weil auch er sich an der Grenze seines Leistungsvermögens bewegt. Und da kommt ihm seine Partei mit angstgetrieben Resolutionen und Spiegelstrichfechtereien. Und mit antiamerikanischen Untertönen. Und mit seinen eigenen Argumenten von gestern. Fischer selbst hat beim Thema Militär in wenigen Jahren vier Phasen durchlaufen - gar kein Militär, nur ohne deutsche Beteiligung, deutsche Beteiligung nur bei Völkermord und heute: auf nach Afghanistan. Fischer mutet der Partei einiges zu. Auf der einen Seite sagt er: Ich mache jetzt Weltpolitik und nehme Einfluss in eurem Sinne. Auf der anderen: Denkt bloß nicht, dass wir die USA beeinflussen könnten. Und das Schwierigste: Er will als Außenminister keine militärische Option ausschließen, die Partei möchte möglichst viele Optionen ausschließen.

Haben die Grünen angesichts solcher Widersprüche eine Chance, die nächsten Wochen in der Regierung zu überstehen? Ja. Fischer wird seit dem 11. September nicht müde zu prophezeien, dass jetzt alle auf die Probe gestellt werden. Alle müssten über sich hinauswachsen. Und er? Der harte Realo, das Alpha-Tier müsste nun ertragen, dass es innerhalb seiner Partei eine gestaffelte Loyalität gegenüber den USA und gegenüber ihm gibt, er müsste den Widerspruch wollen, er müsste alle Zuneigung zu dieser Partei, die noch in ihm steckt, mobilisieren. Mit einem Wort: Er müsste sich ändern. Und er wird es tun, so wie auch die Partei. Die Grünen haben nur diesen einen Fischer. Und Fischer hat nur diese eine Partei.

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