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Meinung: Die Heilung der Kurzsichtigen

Die IT-Wirtschaft braucht kein neues Förderprogramm

Jetzt wird auch noch die IT-Industrie gefördert. Als ob es nicht schon genug bedürftige Industrien und notleidende Branchen im Land gäbe, muss nun noch ein 1,2-Milliarden-Programm erfunden werden, damit Technologie, die in Deutschland entwickelt, am Ende auch in diesem Land hergestellt wird. Nicht genug damit. Auch eine Initiative für bessere Ausbildung von IT-Kräften und Ingenieuren soll es geben, damit die Wirtschaft künftig die Arbeitskräfte findet, die sie braucht.

Das hört sich so an, als hätten Bundeskanzlerin, Wirtschaftsminister und Bildungsministerin verstanden, was jetzt nötig ist. Doch mal ganz im Ernst: Hat hier die Politik etwas versäumt? Oder sind es die Unternehmen, die etwas verpasst haben? Waren es nicht die Firmen, die übersehen haben, welches Potenzial in Erfindungen deutscher Universitäten steckt? Sind es nicht die Personalchefs, die seit dem Jahr 2001 müde abgewunken haben, wenn Software-Programmierer oder Ingenieure vor der Tür standen und sich vorstellen wollten? Wessen Verantwortung ist es, wenn Naturwissenschaften, Ingenieurstudiengänge und IT-Ausbildungsgänge heute Akzeptanzprobleme bei den Abiturienten haben?

Tatsache ist, dass es nicht nur heute, sondern strukturell zu wenig Fachkräfte für die IT-Branche gibt. Wer das nachhaltig ändern will, sollte jetzt nicht jedem Schulabgänger dringend zum Studium der Naturwissenschaften raten und einen sicheren Arbeitsplatz in einigen Jahren versprechen. Auch eine intensivere Suche unter den heute Arbeitslosen nach ausbaufähigen IT-Talenten ist nur begrenzt hilfreich: Wahrscheinlich ist, dass solch ein Alarmismus da endet, wo er bisher noch nach jedem Konjunkturhoch, Exportboom und Arbeitskräfteengpass endete: Wenn die Studenten von der Uni, die Arbeitslosen aus der Umschulung kommen, ist die Konjunktur längst abgeflaut, und landauf, landab wird über die arbeitslosen Akademiker gejammert, die in der Generation Praktikum versauern müssen.

Gut an diesem Gipfel ist nicht das Förderprogramm, sondern das ernsthafte Gespräch über die Engpässe, die über die Tagesnöte hinausgehen: Und hier bewegt sich in der Tat etwas. Die Unternehmen scheinen jetzt bereit zu sein, vorausschauende Personalpolitik zu betreiben. Heute gibt es in größerem Umfang Stipendien, Stiftungslehrstühle und – wie im Tagungsort Potsdam mit dem Hasso- Plattner-Institut – private Hochschulen, die den Nachwuchs ausbilden. Firmen engagieren sich darüber hinaus in den Schulen für den naturwissenschaftlichen und mathematischen Unterricht.

Ein solches Engagement ist überfällig. Es wird langfristig die Einstellung von Kindern und Jugendlichen zu technischen Berufen ändern. Es ist ja nicht so, als seien die Schulabgänger zu Soziologen, Juristen und Betriebswirten geboren. Sie werden dazu gemacht. Um das zu ändern, braucht man keine 1,2 Milliarden Euro an Subventionen. Dazu reicht ein Funken Vernunft. Und Beharrlichkeit.

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