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Meinung: Die Lehre von den zwei Welten Von Cordula Eubel

Würde heute die Krankenversicherung neu erfunden, sähe sie bestimmt ganz anders aus. Vermutlich würde nicht die Höhe des Einkommens darüber entscheiden, wie jemand versichert ist.

Würde heute die Krankenversicherung neu erfunden, sähe sie bestimmt ganz anders aus. Vermutlich würde nicht die Höhe des Einkommens darüber entscheiden, wie jemand versichert ist. Und erst recht nicht der Berufsstand (Beamter, Selbstständiger oder Arbeitnehmer). In Zeiten unsteter Erwerbsbiographien, in denen Menschen mal selbstständig arbeiten und mal angestellt sind, erscheint die starre Grenze zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung wirklich nicht mehr zeitgemäß. Ein Relikt, das aus den Zeiten Bismarcks stammt. Sozialministerin Ulla Schmidt trifft daher einen Nerv, wenn sie fordert, mit Hilfe einer Bürgerversicherung diese „unsinnige Trennung“ aufheben zu wollen.

Viele Menschen empfinden die Zweiteilung als ungerecht. Die Trennung ruft Neid hervor – auf beiden Seiten. Wer bei einer gesetzlichen Krankenkasse versichert ist, fühlt sich gelegentlich als Patient zweiter Klasse. Weil er im Wartezimmer länger sitzt als der Privatpatient. Oder weil er länger auf den Behandlungstermin beim Facharzt wartet muss. Den umgekehrten Fall gibt es auch: Wer in jungen Jahren eine private Police abgeschlossen hat, spürt möglicherweise im Alter durch stark steigende Prämien, wie teuer ihn diese Entscheidung zu stehen kommt. Der Weg zurück in die gesetzliche Kasse ist dann meistens versperrt. Manche Existenzgründer verzichten auf den Versicherungsschutz, weil sie ihn sich nicht leisten können. Laut Schätzungen gibt es mittlerweile in Deutschland rund 200000 Menschen ohne Krankenversicherung, Tendenz steigend. Das ist erschreckend.

Mit ihrer Forderung nach einer Bürgerversicherung, die nicht mehr an der starren Zweiteilung des Krankenkassensystems festhält, könnte Sozialministerin Ulla Schmidt im Wahlkampf punkten. Sie sollte aber keine falschen Erwartungen wecken. Die Finanzprobleme im Gesundheitswesen verschwinden nicht, nur weil man die Grenzen zwischen den Systemen durchlässiger macht. RotGrün sollte sich darauf konzentrieren, einen juristisch einwandfreien Weg für eine Bürgerversicherung aufzeigen, bei dem nicht die private Krankenversicherung komplett abgeschafft wird. Das könnte Erfolg versprechend sein. Denn es gibt viele Menschen, die sich mehr Flexibilität und mehr Gerechtigkeit im Gesundheitswesen wünschen.

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