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Meinung: Die Macht aus den Märkten

Chinas KP will nur noch Reichtum – vor allem für sich

Alle Macht kommt aus den Gewehrläufen, erklärte der Revolutionär Mao Zedong. Die Losung seines Nachfolgers, des verstorbene Reformpolitikers Deng Xiaoping, lautete: „Reich werden ist ehrenhaft!“ Staats- und Parteichef Jiang Zemin, der nach 13 Jahren an der Spitze nun seine Pension vorbereitet, hat keinen prägnanten Spruch. „Drei Vertretungen“ nennt er die Doktrin, die er gestern auf dem Parteitag der KP vortrug. Ein umständlicher Titel, allerdings voller Brisanz: Chinas Abschied vom Kommunismus.

Statt Klassenfeinde sind Chinas Unternehmer und Selbstständige nun „fortschrittliche Produktionskräfte“, und als solche dürfen sie Mitglied in der allein herrschenden KP werden. Ideologisch ist es lächerlich: Wenn sich die KP mit Kapitalisten verbündet, ist der sozialistische Anspruch nur noch Makulatur.

Politisch ist Jiangs Vorstoß ein Zeichen von Realitätssinn. China ist schon lange kein Arbeiter- und Bauernstaat mehr. In zwanzig Jahren Reformpolitik hat sich das Land zu einer vielfältigen Gesellschaft entwickelt, in der die alten Feinbilder verblassen. Millionen Chinesen arbeiten in privaten Firmen und haben dort oft bessere Arbeitsbedingungen und mehr Entfaltungsmöglichkeiten als ihre Kollegen in den Staatsunternehmen.

Der Grund für die Öffnung ist weniger die ideologische Einsicht der Genossen in Peking, als eine Frage des Machterhalts. Um dem Schicksal der kommunistischen Parteien in Osteuropa zu entgehen, soll sich Chinas KP wandeln, auch wenn der Abschied vom Kommunismus nicht über Nacht kommen soll. Chinas „Vierte Generation“ wird auf dem Parteitag das Ruder übernehmen. Dennoch braucht auch sie das kommunistische Erbe als Rechtfertigung ihrer Macht.

Langfristig will die KP jedoch ihre Ideologie über Bord werden und sich zu einer allein herrschenden Regierungspartei wandeln, deren wichtigstes Programm der ökonomische Fortschritt ist. Entwicklung sei die „Geheimwaffe“ der Partei, erklärte Jiang Zemin. Anders ausgedrückt: Solange die KP dafür sorgt, dass es der Mehrheit der Chinesen jedes Jahr ein bisschen besser geht, stellt das Volk ihren Machtanspruch nicht in Frage. Darauf hoffen Pekings Führer. Ihr Ziel ist eine Synthese aus Mao und Deng: Ein Land, in dem alle Macht aus den Gewehrläufen kommt – und reich werden ehrenhaft ist.

Harald Maass

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