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Meinung: Die Macht der Gelehrten

Von Hermann Rudolph

Die Bundesrepublik ist ein Bundesstaat, aber wie sie mit einer Stimme sprechen kann, ohne in ihre angestammte Mehrstimmigkeit zu verfallen, gar zum Dissonanzenkonzert zu werden, bleibt ein Balanceakt, ewig vom Scheitern bedroht. Dabei gibt es Herausforderungen, denen sie nur dann gerecht werden kann, wenn ihre Potenzen die Chance haben, sich gemeinsam geltend zu machen. Wissenschaft und Forschung gehören dazu. Das wissen eigentlich alle, aber der Gedanke, mit einer nationalen Akademie dafür ein Organ zu schaffen, nach innen wie nach außen, ist dennoch bisher immer im Gewirr der partikularen Interessen hängen geblieben.

Das scheint sich zu ändern. Jedenfalls war man – nach dem Urteil von Wissenschaftspolitikern – diesem Ziel noch nie so nahe wie im Moment. Verdankt sich dieser erstaunliche Fortschritt der endlich durchgebrochenen Einsicht, dass sich die wichtigsten Ressourcen der Zukunft – und das sind Wissenschaft und Forschung – nur auf einer gemeinsamen Ebene effektiv artikulieren können? Oder ist es der Bedarf von Politik nach Beratung, der dazu geführt hat, dass Politiker und Wissenschaftsorganisationen endlich bereit sind, über ihren Schatten zu springen? Kommt die Akademie zustande, kann uns das gleichgültig sein. Die Eckpunkte der neuen Gelehrtengesellschaft, zumal ihre Anbindung an die Autorität des Bundespräsidenten, stimmen hoffnungsvoll. Es wäre das kaum noch erwartete positive Ende eines langen Weges durch das steinige Gelände der Wissenschaftspolitik. Aber man wird von Glück sagen dürfen, wenn das Projekt nicht doch noch, auf den letzten Metern, auf der Strecke bleiben wird. Denn wenn derart ein Vorhaben gelänge, das sich als national versteht: es signalisierte fast einen Mentalitätssprung.

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