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Meinung: Die Macht des Einsamen

Von Hans Monath Auch der Eigennutz reist gern unter dem Banner der reinen Moral und der Staatsräson. Nicht zuletzt deshalb prangern Grüne und SPD den Bruch mit der politischen Kultur der Bundesrepublik so vehement und lautstark an, den Jürgen Möllemann vollziehen will und zu dem sich seine Partei bislang nicht klar verhalten hat.

Von Hans Monath

Auch der Eigennutz reist gern unter dem Banner der reinen Moral und der Staatsräson. Nicht zuletzt deshalb prangern Grüne und SPD den Bruch mit der politischen Kultur der Bundesrepublik so vehement und lautstark an, den Jürgen Möllemann vollziehen will und zu dem sich seine Partei bislang nicht klar verhalten hat. Die Liberalen in der Defensive - das ist im Wahlkampf eine Konstellation, die Rot-Grün nur helfen kann.

Doch in der neuen Antisemitismus-Debatte geht es um viel mehr als um Wahlkampftaktik; sie ist inzwischen so ernst und so wichtig geworden, dass sie jede Parteischablone sprengt: Je länger die Partie offen ist, je häufiger sich Jürgen Möllemann mit neuen Reizvokabeln und Sticheleien zu Wort meldet, um so mehr Spitzenpolitiker der Union erklären den FDP-Vize zu einer Belastung für die deutsche Politik. Parteichef Guido Westerwelle fordern sie auf, in seinem Haus endlich für Klarheit zu sorgen. Das ist um so bemerkenswerter, als jene Stimmen, auf die Möllemann setzt, dem bürgerlichen Lager insgesamt zugute kämen. Doch den Schaden für die Republik hält man in der Unionsspitze für zu groß, als dass er durch einen taktischen Vorteil im Wahlkampf wettgemacht werden könnte.

Noch immer ist offen, ob die FDP selbst den Kurs ihres Vizes ertragen kann. Selten war eine deutsche Partei so stark unter öffentlichem Druck wie die Liberalen nun in der Debatte um Möllemann und seinen Einsatz antisemitischer Klischees - unter Druck von außen wie unter Druck von innen. Deshalb richten sich inzwischen mehr Fragen an Guido Westerwelle als an Möllemann, der noch in der breiten Empörung über den gefährlichen Kurs seine Rebellen-Pose bestätigt sieht. Die Frage, wie ernst es Westerwelle mit der Abgrenzung seiner Partei gegenüber der Versuchung des Rechtspopulismus meint, ist wichtig. Noch wichtiger aber ist inzwischen die, ob er diesen klaren Schnitt gegen seinen Parteivize überhaupt durchsetzen könnte. Die sture Behauptung des Parteichefs, wonach Möllemann dem Zentralrat doch schon weit entgegengekommen sei, ist keine bedauernswerte Fehlwahrnehmung des wahren Sachverhalts. Sie ist nur als Ausdruck von Machtlosigkeit zu verstehen: Weil Westerwelle Truppen fehlen, um Möllemann zu disziplinieren, muss er ihn schönreden.

Das forsche Auftreten Westerwelles hat offensichtlich lange verdeckt, dass andere in seiner Partei durchsetzungsfähiger sind als der gewählte Vorsitzende. Aus dieser Falle entkommt Westerwelle nicht durch semantische Tricks. Klarheit schafft nur die öffentliche Machtprobe mit Möllemann, die Westerwelle noch vermeidet. Denn wenn sich die FDP die Hängepartie weiter gefallen lässt, dann ist der Streit um die Maßstäbe politischer Kultur in Deutschland schon entschieden - zu Gunsten von Jürgen Möllemann.

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