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Die Marke Berlin: Zauberformel Kunst

Berlin ist die international wichtigste Produktionsstätte zeitgenössischer Kunst. "Based in Berlin" – als Hinweis auf die Arbeitsstätte gilt als Qualitätsmerkmal. Doch der gute Ruf ist auch ganz schnell wieder verspielt.

Die Biennale in Venedig hat es gerade erst gezeigt, der Goldene Löwe für den Deutschen Pavillon und damit posthum für den 2010 verstorbenen Multimedia-Künstler Christoph Schlingensief beweist es eindrucksvoll: Berlin ist die international wichtigste Produktionsstätte zeitgenössischer Kunst. Viele der in den Giardini am Canal Grande ausgestellten Künstler leben und arbeiten in der deutschen Hauptstadt, insbesondere die jungen, aufstrebenden, gerade angesagten. „Based in Berlin“ – als Hinweis auf die Arbeitsstätte in der Biografie gilt als Qualitätsmerkmal, ähnlich wie das Siegel „made in Germany“ für Handelsware jeder Art.

Diesen hohen Werbefaktor aktueller Kunst für die Vitalität, die Hipness einer Stadt hat auch die Politik erkannt, wenn auch reichlich spät. Der Ruf nach einer eigenen Ausstellungsstätte, wo die bisher andernorts gefeierten Berliner Künstler ihre Werke präsentieren, ist längst verhallt. Klaus Wowereits Idee einer dauerhaften Kunsthalle ist von einer anderen Wirklichkeit eingeholt worden. Der Bedarf für eine weitere Institution, die Unterhalt kostet, hat sich erledigt durch die in den vergangenen zwei Jahren aufgeschlossener agierenden Ausstellungshäuser der Stadt. Geblieben aber ist das Politikum: Was tut eine Kunststadt für ihre ureigene Klientel, die Produzenten der in aller Welt gezeigten Kunst? Wie pflegt sie den Nachwuchs, denn nichts ist im rasanten Kunstbetrieb schneller verbraucht als das Etikett „neu“ und „jung“?

Sie organisiert ein Ausstellungsevent, das originellerweise „Based in Berlin“ heißt. Die Sommerschau mit rund 80 „emerging artists“ wird am Dienstag im ehemaligen Atelierhaus im Monbijoupark eröffnet mit Außenstellen im Hamburger Bahnhof, in den Kunst-Werken in der Auguststraße, in der Berlinischen Galerie und im Neuen Berliner Kunstverein. „Emerging“ bedeutet hierbei, dass die Künstler in der jüngsten Zeit aufgefallen sein müssen. Etablierte Namen sucht man in der Teilnehmerliste vergebens.

Das Ausstellungsprojekt „Based in Berlin“ ist nicht nur eine Anzahlung auf die Zukunft, sondern auch der letzte Abgesang auf die Kunsthalle von Wowereit. Weil seine Genossen ihm den kulturpolitischen Vorstoß nicht vollkommen verhageln wollten, genehmigten sie ihm zumindest Geld für diese Superschau. Den fünf Kuratoren stehen nun 1,6 Millionen Euro zur Verfügung. Davon können die kurzgehaltenen Institutionen der Stadt nur träumen. Wahlkampftaktisch geschickt eröffnet „Based in Berlin“ vor der Sommerpause, damit der Regierende im Herbst auch noch als Kultursenator, der er in Personalunion ist, punkten kann.

Der Zeitpunkt ist auch in anderer Hinsicht günstig gewählt: zwischen Eröffnung der Biennale in Venedig und der Art Basel, der wichtigsten Kunstmesse weltweit. Selbstbewusst gehen die Ausstellungsmacher davon aus, dass sich der Kunsttross aus Italien über Berlin in die Schweiz bewegt. Für Sammler, Museumsleute, Kritiker ist die Stadt immer eine Reise wert. Hier entdecken sie vor Ort, was später international für Furore sorgt. Welche Anziehungskraft die Kunststadt Berlin besitzt, bewies erst zuletzt das Gallery-Weekend, das dem Art Forum, der Berliner Kunstmesse, damit endgültig den Rang abgelaufen hat. Knall auf Fall erklärte die Messegesellschaft vergangene Woche das Ende des Art Forums, dem zunehmend der Rückhalt der Berliner Galeristen fehlte. Ein Image-Schaden für die Stadt, der beträchtlich sein dürfte. Der Regierende Bürgermeister hätte besser hier Geistesgegenwart bewiesen und einer kriselnden Kunstmesse aufgeholfen.

Mit einem einmaligen Event ist der Kunststadt Berlin, erst recht ihren Künstlern nicht gedient. Das Geld ist nachhaltiger in die Institutionen investiert, die Basisarbeit leisten und am Ende für ein Bleiben der Künstler sorgen. Nur kommt das nicht ganz so aufregend und sexy daher. Noch hat die Bezeichnung „Based in Berlin“ in der Kunstwelt den Klang einer Erfolgsformel. Die Marke ist allerdings auch schnell wieder verspielt.

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