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Meinung: Die Moral der Reichen

Die Kriterien für die Entschuldung der 18 ärmsten Länder der Welt sind nicht immer überzeugend

Die Finanzminister der wichtigsten Industriestaaten und Russlands (G 8) haben 18 Ländern in Afrika und Lateinamerika eine schwere Last abgenommen. Auf einen Schlag werden ihre Schulden erlassen – rund 40 Milliarden Euro. So großzügig waren die Industriestaaten noch nie: Die „Initiative für hoch verschuldete arme Länder“ (HIPC) der Weltbank, die 1996 begann, hat dieselben 18 Staaten bis heute um 55 Milliarden Euro entlastet. Gordon Brown, der britische Schatzkanzler, hat Mut von seinen Kollegen gefordert – und den haben sie bewiesen.

Allerdings stellen sich bei der Auswahl der Länder einige Fragen. Denn die Finanzminister haben als Bedingungen für die Entlastung drei Kriterien genannt: gute Regierungsführung, Verlässlichkeit und Transparenz. Dass das Erschießen von Demonstranten, die sich gegen eine gefälschte Wahl wehren, wie jüngst in Äthiopien unter „gute Regierungsführung“ fällt, darf wohl bezweifelt werden. Trotzdem wird Äthiopien entlastet. Dem Land ist zumindest zu Gute zu halten, dass es seinen Plan zur Armutsbekämpfung bisher weitgehend eingehalten hat. Außerdem haben die USA ein starkes Interesse an Stabilität am Horn von Afrika.

Dagegen hat Bolivien inzwischen mehr Schulden als vor seiner Entschuldung. Und von Verlässlichkeit kann kaum die Rede sein. Bolivien trudelt seit drei Jahren von einer Regierungskrise in die nächste. Übrigens ausgelöst durch Bedingungen und Annahmen, die die internationalen Finanzinstitutionen mit dem Schuldenerlass verbunden hatten. Bolivien hätte es nur geschafft, seine Verbindlichkeiten im Griff zu behalten, wenn eine Gas-Pipeline gebaut worden und die Ressource erfolgreich vermarktet worden wäre, was nicht passiert ist und erst vor wenigen Tagen wieder einen Präsidenten in den Rücktritt getrieben hat. Fraglich ist auch, ob man Nicaragua Erfolge bei der „Transparenz“, also der Bekämpfung von Korruption, attestieren kann, nachdem das Land seine Anklage gegen den offenkundig korrupten früheren Präsidenten gerade hat fallen lassen.

Es gibt aber auch Erfolge: In Tansania gehen, nachdem die Gebühren für die Grundschule abgeschafft wurden, doppelt so viele Kinder in die Schule. In Mosambik werden 90 Prozent der Kinder gegen tödliche Krankheiten geimpft. Und in Uganda haben 2,2 Millionen mehr Menschen Trinkwasser.

Trotzdem hätte einiges dafür gesprochen, bei der neuen Entschuldungsinitiative nicht einfach nur dem HIPC-Programm zu folgen. Der kenianische Planungsminister hat allen Grund, sich zu beschweren, dass sein Land überhaupt nicht in dem Plan vorkommt. Denn Kenia hat ohne Schuldenerlass die Gebühren für die Grundschule gestrichen – mit durchschlagendem Erfolg. Das Land hat im Jahr 2002 einen demokratischen Machtwechsel zu Stande gebracht und muss ohne Zweifel mehr gegen die Korruption tun. Aber es gäbe gute Gründe, einem solchen Land die Schulden zu erlassen, in dem 80 Prozent der Menschen arm sind, das aber trotzdem mit Ach und Krach seine Schulden zahlt. Aber Kenia hat schlechte Beziehungen zu den USA. Nicht nur, dass gerade erst vier Verdächtige mangels Beweisen freigekommen sind, die an einem Anschlag auf ein israelisch geführtes Hotel in Mombasa beteiligt gewesen sein sollen. Kenia unterstützt auch den Internationalen Strafgerichtshof. Und weigert sich standhaft, einen bilateralen Vertrag mit den USA zu unterzeichnen, der Amerikanern Straffreiheit garantiert, wenn ihnen Kriegsverbrechen vorgeworfen werden. Deshalb haben die USA gedroht, Kenia sämtliche Entwicklungshilfe zu streichen. Möglicherweise zahlt das Land auch bei der Entschuldung gerade einen hohen Preis für seine Verlässlichkeit.

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