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Meinung: Die PDS-Entschuldigung: Was die Taten verraten

Als Deutsche und Polen anfingen, über Besatzung, Kriegsverbrechen und Vertreibung zu sprechen, gab der Dissident Jan Józef Lipski die Parole aus: Reden wir über die Sünden der Vergangenheit, aber jede Seite nur über die eigenen! Er wollte vermeiden, dass gegenseitige Vorhaltungen in ein relativierendes Aufrechnen ausarten.

Als Deutsche und Polen anfingen, über Besatzung, Kriegsverbrechen und Vertreibung zu sprechen, gab der Dissident Jan Józef Lipski die Parole aus: Reden wir über die Sünden der Vergangenheit, aber jede Seite nur über die eigenen! Er wollte vermeiden, dass gegenseitige Vorhaltungen in ein relativierendes Aufrechnen ausarten.

Dieser Versuchung konnte die PDS bei ihrem Bedauern über die Zwangsvereinigung von KPD und SPD nicht widerstehen. Sie wolle den Sozialdemokraten ihre Sünden an der deutschen Linken nicht vorhalten ..., heißt es in dem Papier. Das ist die perfide Form, etwas zur Sprache zu bringen: indem man behauptet, gerade dies nicht zu wollen. Jaja, es fällt der PDS schwer, sich zu verabschieden von den Parteihochschullügen der Art "Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten!"

So ist das Beste, was man von dieser halbehrlichen Debatte sagen kann: Sie bringt die Deutschen dazu, sich die Verbrechen der kommunistischen Machtergreifung in Ostdeutschland in Erinnerung zu rufen. Doch was heißt hier: in Ostdeutschland? Als sei das ein deutsches Schicksal gewesen. Die Zwangsvereinigung war ein überall gleicher Schritt bei der Sowjetisierung Mittel- und Osteuropas nach dem Zweiten Weltkrieg. Es sollte demokratisch aussehen, aber am Ende musste die kommunistische Herrschaft stehen.

Nach der Besetzung durch die Rote Armee 1944/45 wurden von Bulgarien bis Polen, von Ungarn bis Ost-Berlin formale Koalitionsregierungen mit den bürgerlichen Parteien gebildet, die die überwältigende Mehrheit behaupteten, solange frei gewählt werden durfte; die Kommunisten bekamen unter sowjetischem Druck die "Machtministerien": Inneres und Verteidigung. Und nutzten sie rücksichtslos. Die bürgerlichen Führer wurden ins Exil getrieben oder verhaftet, dann kam die Zwangsvereinigung: in Ost-Berlin bereits 1946, in Ungarn im Sommer 1948, in Polen im Dezember 1948 - nach Schauprozessen und umfassenden "Säuberungen" der Sozialdemokratischen Parteien, die in Polen 150 000 Mitglieder betrafen. Anders war eine "Mehrheit" auch dort nicht zu bekommen.

Das Besondere an Deutschland damals: Es gab eine starke Sozialdemokratie im Westen, die die Erinnerung an diese Vergewaltigung wach hielt und sich im freien West-Berlin auf eine überwältigende Abstimmung gegen die Zwangsvereinigung berufen konnte. In Polen, Ungarn, Bulgarien konnte von Glück sagen, wer sich ins Exil rettete.

Und das Besondere heute? Deutschland hat eine sozialistische Partei; sie bedauert die Zwangsvereinigung. In Polen oder Ungarn gab es das nicht, nur allgemeine Entschuldigungen für die Verbrechen des Kommunismus. Dürfen wir da auf die PDS nicht ein bisschen stolz sein: diese spezielle Partei, die immer weniger böses Erbe der DDR ist und zunehmend originäres Produkt der Einheit?

Die Ex-Kommunisten in Polen, Tschechien, Ungarn haben viel überzeugender Abbitte geleistet für die Verbrechen des Kommunismus als mit wortreichen, aber halbherzigen Entschuldigungen. Sie haben die Irrtümer ganz praktisch revidiert, die KP-Reformflügel haben die Wende 1989/90 vorangetrieben. Sie sind zu den staatstragenden Parteien der neuen Demokratien geworden, haben ihre Länder in die Nato geführt - sie sind seit Jahren schon dort angekommen, wo die PDS hin will. Ihre orthodoxen Kommunisten sind schon in den ersten Wahlen gescheitert.

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