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Meinung: Die Quadratur der Erde

Armut und Umwelt: Der Weltgipfel in Johannesburg soll zu viele Probleme gleichzeitig lösen

Von Wolfgang Drechsler

Ab Montag ist Südafrika zehn Tage lang Schauplatz der größten Konferenz, zu der die Vereinten Nationen je geladen haben. Ein Jahrzehnt nach dem ersten Erdgipfel in Rio de Janeiro werden 175 Staaten in Johannesburg, am Schnittpunkt von Erster und Dritter Welt, zusammenkommen, um über so unterschiedliche Themen wie den Klimawandel, das internationale Handelssystem, die Armutsbekämpfung und den möglichen ökologischen Kollaps der Erde zu beraten.

Obwohl in Johannesburg viel von dem aufgegriffen wird, was schon in Rio informell vereinbart wurde, hat sich der Fokus verschoben. War Rio zuvorderst ein Umwelttreffen, werden in Johannesburg auf Drängen der Entwicklungsländer und der Gastgeber eine gerechtere Entwicklung und die Armutsbekämpfung gleichberechtigt thematisiert. Nach dem Scheitern der letzten Vorkonferenz in Bali und der wenig ergiebigen Sondersitzung in New York muss man kein Prophet sein, um vorauszusagen, dass der zweite Erdgipfel seine Ziele wohl verfehlen wird.

Zurzeit ist rund ein Viertel der Abschlusserklärung noch umstritten. Auch ist kaum damit zu rechnen, dass die in den letzten beiden Jahren erfolglos diskutierten Streitpunkte sich in Johannesburg plötzlich in Wohlgefallen auflösen werden. Erschwert wird die Situation noch dadurch, dass sich Südafrika und sein Präsident Thabo Mbeki als Anwalt der Dritten Welt verstehen und somit nicht als unabhängiger Makler zwischen den Lagern fungieren. Statt aktiv nach Kompromissen zu suchen, war Südafrika im Vorfeld der Konferenz um Schadensbegrenzung bemüht. Allerdings hat Pretoria es auch nicht ganz leicht gehabt angesichts der Verweigerungshaltung der USA gegen bindende multilaterale Absprachen. Im Gegensatz zu den Ländern der EU legen Südafrika und die von ihm repräsentierten G77-Staaten weniger Gewicht auf die Ökologie, weil sie zunächst einmal den wirtschaftlichen Rückstand zu den Industriestaaten aufholen wollen. Vom Weltgipfel erwarten sie deshalb auch weniger Umweltvereinbarungen als eine größere finanzielle und technische Unterstützung durch den Westen.

Trotz unterschiedlicher Erwartungen von Erster und Dritter Welt beharrt Südafrikas Umweltminister Valli Moosa darauf, dass der Gipfel zu einem der bedeutendsten Treffen der Moderne werden könne. Südafrika kann sich auch schwerlich ein weiteres Fiasko leisten. Bereits der letztjährige UN-Gipfel in Durban zum Rassismus versank im Chaos, nachdem eine Reihe arabischer Staaten Israel in den Mittelpunkt der Debatte gerückt hatte. Ob Johannesburg am Ende doch den Weg zu internationaler Solidarität weist, wird aber auch davon abhängen, ob die Idealisten von ihren Maximalforderungen und die USA von ihrer Devise „America first“ abrücken.

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