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Die Rettung des Euro: Merkel und Sarkozy fehlte es an Diplomatie

Finanzminister über Sanktionen entscheiden zu lassen, ist so, als wolle man eine Runde von Alkoholikern nicht nur zur Abstinenz überreden, sondern auch von der Notwendigkeit empfindlicher Geldstrafen für den Fall überzeugen, dass sie doch wieder trinken.

Im normannischen Deauville kann man offenbar auch noch in der Nachsaison baden gehen. Die Einigung, die die deutsche Bundeskanzlerin und der französische Staatspräsident dort über die künftige Stabilität des Euro erzielt haben, wirkte auf die anderen 25 EU-Staaten wie ein kalter Guss, und nach den zornigen Reaktionen auf den als Diktat empfundenen deutsch-französischen Pakt von Deauville dürfen sich Angela Merkel und Nicolas Sarkozy wie die begossenen Pudel fühlen. Bedauern mag man sie darob wirklich nicht, denn was sich die beiden da geleistet haben, war kein diplomatisches Meisterstück. Politik von oben ist gewesen, was sie verkündet haben, und selten in der europäischen Politik ist eine an sich vernünftige Überlegung durch die Art, wie sie vorgebracht wurde, so diskreditiert worden.

Um was geht es im Vorfeld des nächsten Gipfels der Staats- und Regierungschefs morgen in Brüssel? Der zur Abwendung des Euro-Zusammenbruchs nach der Griechenland-Pleite von IWF und EU gespannte Rettungsschirm hält nur bis 2013. Zwar gibt es einige, der Währungsstabilität nicht sonderlich verpflichtete europäische Staaten, die am liebsten dieses so bequeme Mittel zur Beschaffung von Liquidität einfach weiterführen würden, aber das kann nicht im Interesse Europas und vor allem auch nicht im Interesse Deutschlands sein. Deshalb müssen die Strafen für Defizitsünder verschärft werden, für Länder also, die mehr Schulden machen, als der Stabilitätspakt zulässt. Die Bundesregierung strebte bis zum Vorabend von Deauville eine Automatik der Sanktionen an, also so etwas wie eine Strafbewehrung. Frankreich, das traditionell den Begriff der Stabilität etwas großzügiger auslegt, wollte den Finanzministern aber die Option geben, über diese Maßnahmen zu beschließen – und hat sich damit in der Normandie durchgesetzt, dafür aber den Deutschen versprochen, gemeinsam für eine Revision des Vertrages von Lissabon zu werben, um neue Regeln zum Umgang mit Defizitsündern einzuführen.

Nun ist die Empörung groß, aber aus verschiedenen Gründen. Die an solides Wirtschaften gewohnten Nordeuropäer empfinden es als keine gute Idee, Finanzminister (zu denen ja auch die Griechenlands, Italiens, Portugals, Spaniens und Irlands gehören) über Sanktionen entscheiden zu lassen. In der Tat ist das so, als wolle man eine Runde von Alkoholikern nicht nur zur Abstinenz überreden, sondern auch von der Notwendigkeit empfindlicher Geldstrafen für den Fall überzeugen, dass sie doch wieder trinken. Fast allen gefällt aber auch nicht, was Merkel an Sanktionen vorschwebt, ein vorübergehender Stimmrechtsentzug für die Schuldner in den europäischen Beschlussgremien. Das ist zwar eine Lieblingsidee der Kanzlerin, aber keine gute. Sie erinnert an den Entzug der bürgerlichen Ehrenrechte nach Verurteilung wegen Straftaten, wie es ihn in Deutschland vor der Strafrechtsreform von 1969 gab. Diese Form der Sanktion ist, um es auf den Punkt zu bringen, eines demokratischen Staatenverbundes unwürdig.

Bei der Beurteilung der Stilfragen in der Deauville-Affäre sind sich alle – bis auf die beiden Übeltäter – einig. Ja, Deutschland und Frankreich müssen gemeinsam versuchen, Europa voranzubringen. Das war schon immer so. Aber was bringt es, wenn dieser Motor so hochtourig läuft, dass er die Karosserie des EU-Fahrzeugs zerlegt? Tatsächlich gehen fast alle davon aus, dass man die nötigen Verstärkungen des Euro-Stabilitätspakts ohne eine Revision des Vertrags von Lissabon nicht bekommen wird. Vor dieser Änderung haben viele, auch wegen der teilweise vorgeschriebenen Volksabstimmungen, Angst. Aber wenn Kroatien bald als Nummer 28 aufgenommen wird, muss der Vertrag schon deswegen von den übrigen 27 erneut ratifiziert werden. Das könnte man mit den notwendigen Sanktionsbestimmungen verknüpfen – über die man sich vorher einigen muss.

Ob das dann bis zur geordneten Insolvenz eines Mitgliedslandes führen kann, oder ob leichtfertige private Kreditgeber nur in anderen Formen zur Rechenschaft gezogen werden, wird man sehen. Das ist erst einmal Sache der Diplomatie, also genau der Kunst, die in Deauville fehlte.

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