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Die Rolle der USA in der Krim-Krise: Verspielt Obama Amerikas Gewicht in der Welt?

Kritiker im eigenen Land werfen US-Präsident Obama vor, in der Ukraine-Krise zu weich und nachgiebig zu handeln und Amerikas Rolle als Weltpolizist auf internationaler Ebene zu verspielen. Doch kann Obama überhaupt anders handeln?

In South Carolina, zwischen Columbia und Charleston, macht man sich derzeit Sorgen um Amerikas internationale Rolle. Der Senator des Bundesstaats, Lindsey Graham, fürchtet, der „schwache und unentschiedene“ US-Präsident lade geradezu zu Aggressionen ein. John McCain, Senator aus Arizona, sieht das militärische Vorgehen des russischen Präsidenten auf der Krim sogar als „das letztendliche Ergebnis einer inkompetenten (US-)Außenpolitik, bei der niemand mehr in die amerikanische Stärke vertraut“. In Washington steht dieser Tage angesichts der Krise die Frage im Raum: Verspielt Barack Obama das Gewicht Amerikas in der Welt?

Aus freien Stücken, ja. Der amerikanische Präsident verzichtet zugunsten internationaler Kooperationen auf die Vorrangrolle der Vereinigten Staaten. Er zieht seine Soldaten aus den Kriegen zurück, verweigert militärische Alleingänge und zwingt seine Alliierten, die militärischen, finanziellen wie die politischen Bürden mit Amerika zu teilen.

Jetzt muss Obama mit dieser außenpolitischen Doktrin die vielleicht größte Bewährungsprobe seiner Präsidentschaft bestehen. Nie stand sein Modell des Regierens, die Softpower, so sehr infrage wie jetzt angesichts der Krim-Krise. Angetreten, Kriege zu beenden, ist Obama mit einem globalen Führer konfrontiert, der eine solche geopolitische Betrachtung, wie die Falken in Washington, vor allem als eines ansieht: als Schwäche. Die Falken fordern deshalb eine Umkehr zum Prinzip Hardball. Sie verlangen mehr Rückgrat gegenüber dem russischen Opponenten. Sie wollen Wirtschaftssanktionen und Beistand für die Ukraine.

Auffällig am Chor der Kritiker ist dabei, dass selbst die üblichen Verdächtigen, wie der erfahrene Außenpolitiker McCain, nicht den Einsatz von Soldaten fordern. Aus gutem Grund: Es gibt kein militärisches Szenario, das überzeugend erklären könnte, wie der Einsatz von Soldaten oder Kriegsschiffen die Krise lösen würde.

Eine Lösung, die dem gewohnten Muster von Amerika in der Rolle des Weltpolizisten folgte, können die Falken nicht präsentieren. Gegen Wirtschaftssanktionen indes spricht in Obamas Gedankenwelt ohnehin nichts. Als Zeichen der Konfrontation hat der Präsident seinen Außenminister nach Kiew geschickt; und Hilfsgelder für die Ukraine sind auf dem Weg. Reichen jedoch wird das nicht, um Wladimir Putin nachhaltig zu beeindrucken.

Die Krise in der Ukraine ist eine europäische

Der Preis, den Amerika und seine Alliierten für neuen Realismus zahlen, besteht darin, dass nicht mehr alleine die Vereinigten Staaten als Akteur geopolitischer Krisenbewältigung gefragt sind und die Aktion bestimmen. Diese Krise ist eine europäische, die darum zuvörderst von europäischen Akteuren gelöst werden muss. Es gibt keinen Grund, warum nicht Angela Merkel gegen den russischen Präsidenten aufstehen sollte. Und sie hält die Trümpfe in der Hand. Denn es ist die europäische Wirtschaft, die eng mit Russland verflochten ist, es sind nicht die Firmen in Detroit oder Houston.

Das Außenhandelsvolumen der USA wird 2013 auf etwa vier Billionen Dollar aufgelaufen sein. Der Handel mit Russland macht dabei gerade mal 38 Milliarden Dollar aus. Dagegen ist Deutschland mit einer Austauschsumme von 76 Milliarden Euro einer der wichtigsten Handelspartner in Osteuropa. Der Warenaustausch beträgt 8,7 Prozent der russischen Außenhandelsbilanz; die EU insgesamt hat einen Anteil von 49,7 Prozent daran.

Deutschland und Europa stehen viele Wege offen, ökonomischen Druck auf Putin zu entfalten. Die EU-Wettbewerbshüter zum Beispiel ermitteln derzeit gegen den Energiegiganten Gazprom unter dem Verdacht, den Transport von Gas in osteuropäische Staaten behindert zu haben. Falls die Vorwürfe bewiesen werden, drohen Strafen von bis zu zehn Prozent eines Jahresumsatzes. Ein solches Volumen ist ein gutes Argument.

Russlands Nachbarn leben in Estland und Lettland, im weiteren Sinn auch in Polen und Deutschland. Und so sind jetzt die Regierungen in Berlin, Paris und Warschau zuerst gefragt, das Vakuum zu füllen, das durch die Softpower und die Zurückhaltung Amerikas entsteht.

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