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Meinung: Die Schuld ist verteilt

Niedersachsen: Gabriel muss die Niederlage tragen – und Wulff profitiert

Da hat sich Sigmar Gabriel doch so bemüht, vom Bundestrend wegzukommen, mal laut, mal leise im Hintergrund. Dann wieder hat er sich um einen Schulterschluss bemüht, mal jovial, mal kumpelhaft in aller Öffentlichkeit. Die Bilder von Goslar und die von der Abschlussveranstaltung des Wahlkampfes sprachen Bände: Als würden zwei miteinander ringen, fielen sich Gerhard Schröder und sein Nachnachfolger im Amt des Ministerpräsidenten von Niedersachsen in die Arme. Es ist ja auch richtig, dass beide Schuld an der Niederlage tragen. Der bisher glücklose Christian Wulff hat beide für die CDU geschlagen. Ein großer Sieg für ihn.

Zunächst aber zu Gabriel: Keine Frage, dass ihm die Baisse der Bundespolitik schwer geschadet hat. Doch im eigenen Lager Front machen? Das mögen die Menschen offenkundig auch nicht. Außerdem hatte er drei Jahre Zeit, sich ein eigenständiges Profil als Ministerpräsident zuzulegen, gewissermaßen als Polster für die harten Zeiten. Er ließ sich zwar im Land herumfahren, kam aber bei den Leuten doch nicht so an; sturmfest und erdverwachsen ist er nicht geworden. Dann wagte der bullige Gabriel – hier ganz Schröder – nicht die notwendigen Machtfragen, nicht im Kabinett, nicht in der Landespartei gegen Edelgard Bulmahn an der Spitze. Sie hat als Landesvorsitzende weder geführt noch Marktplätze gefüllt. Und obwohl Bundesministerin, hat sie auch nicht segensreich auf die Wahlkampfplanung eingewirkt. Das zeigt: Gabriel hätte aus sich und aus der Partei, die es fast nicht gibt, mehr machen müssen.

Dazu wirkte sich das Hin und Her bei der Vermögensteuer als „Bildungssteuer“ aus, die dann doch nicht kam, und direkt anschließend die Forderung nach einem Vorziehen der Steuerreform, das dann auch nicht kam. Beides zusammen hat dem Ruf Gabriels als wirtschaftsgeneigter Reformer geschadet. Die Logik des Gesagten erschloss sich nicht. Es sah nur so aus, als versuche einer alles, um irgendwie zu punkten.

Christian Wulff ist erst so richtig stark geworden durch diese Schwächen. Schröder und die Seinen im Bund, der Eine im Land, allesamt hatten sie einen Touch Unseriöses – und seriös kommt Wulff allemal daher. Je fahriger die SPD reagierte und regierte, zum Schluss dann auch geradezu aufdringlich auf Kriegsangst setzte, desto besser wirkte bei den Niedersachsen die bedächtige und leicht papierne Art des CDU-Kandidaten.

Seit 1998 Vize in der Bundespartei, kann Wulff, in der Öffentlichkeit deutlich souveräner geworden, mit der Zeit eine richtig starke Position gewinnen. Interessant ist, dass er nicht Ministerpräsident Ernst Albrecht sein Vorbild nennt, der so nett lächeln konnte, sondern Gerhard Stoltenberg. Der frühere Kieler Regierungschef und mehrmalige Bundesminister wurde einer der Granden der CDU und hätte nach ihrer Meinung für sie auch Kanzler werden können.

So weit ist es noch lange nicht für Wulff, und nach diesem Abend auch nicht für Gabriel. Den wird nur wenig trösten, dass Schröder, der Kanzler, der Niedersachse, sich seines Anteils an der Schuld bewusst sein wird. Spätestens jetzt.

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