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Meinung: „Die SPD befindet sich …

… heute in einer machtpolitischen Lage, die nie seit 1949 schwächer war.“ Wenn Rudolf Scharping es ganz besonders ernst ist, dann leitet er seine Rede gern mit dem Satz ein: „Ich gebe da mal ein paar Hinweise.

… heute in einer machtpolitischen Lage, die nie seit 1949 schwächer war.“

Wenn Rudolf Scharping es ganz besonders ernst ist, dann leitet er seine Rede gern mit dem Satz ein: „Ich gebe da mal ein paar Hinweise.“ Seit er im Sommer 2002 aus dem Amt des Bundesverteidigungsministers entlassen wurde, ist es still um ihn geworden. „Hinweise“ an seine Parteifreunde und früheren Regierungskollegen gab es nur noch vereinzelt und vergleichsweise diskret.

Im März diesen Jahres war es dann aber so weit, dass der 58-Jährige seinem Nachnachnachfolger als SPD-Vorsitzender, Franz Müntefering, auch ein paar öffentliche Hinweise via „Bild“ mit auf den Weg gab, wie der Niedergang der deutschen Sozialdemokratie aufgehalten werden könnte. Und in der vergangenen Woche folgte die etwas ausführlichere Version im „Handelsblatt“. Tenor: „Taktik und machtpolitisches Geschick ersetzen auf Dauer nicht klare Analyse und konsequente Strategie.“ Der Modernisierungskurs der Bundesregierung sei grosso modo richtig, ihm mangele es allerdings an ordnungspolitischer Klarheit. Ebenso schlimm sei, dass mehr oder weniger mutwillig das „Vertrauen auf faire Behandlung“ in der Bevölkerung und mehr noch bei der eigenen Klientel zerstört worden sei.

Eine noch etwas drastischere Version seiner Lageanalyse erhielt in der vergangenen Woche Müntefering in einem Brief von Scharping. Das Vorziehen der Bundestagswahl sei lediglich der Höhepunkt einer längeren Entwicklung, „vor der ich intern mehrfach gewarnt habe“. Da aber seine Hinweise keiner hören und schon gar keiner befolgen wolle, sehe er auch keinen Sinn mehr darin, in den nächsten Bundestag einzuziehen.

Der Schlusspunkt unter eine weithin tragische Geschichte ist damit gesetzt. Gestartet als Hoffnungsträger, von Willy Brandt protegiert, war Scharping kaum Ministerpräsident, da wurde er auch schon Kanzlerkandidat und Parteivorsitzender. Das war 1994, doch es lag kein Segen auf ihm. Die Wahl ging verloren, ein Jahr später verstieß ihn Oskar Lafontaine von der Parteispitze. Zu hölzern, zu spröde, ein Westerwälder, glücklos allemal. Glücklos war er aber auch, als er sich in seichten Glamour-Gewässern tummelte. Da war er Schröders Verteidigungsminister und hielt sich selbst für einen im Mindesten respektablen Reserve-Kanzler. Doch das mallorquinische Plantsch-Bad mit seiner späteren zweiten Ehefrau Kristina Gräfin Pilati und auch das öffentlich gewordene zweifelhafte Beziehungsgeflecht zum Frankfurter Politik-Lobbyisten Moritz Hunzinger bereiteten allem ein unschönes Ende.

Vermutlich ist Scharping am Ende deutlich unter seinen politischen Möglichkeiten geblieben. Denn sein analytischer Blick auf die Politik und ihre Felder war stets geschärft, jedenfalls so lange es nicht um ihn selbst ging. Weit gespannt auch seine Interessen und sein Wissen. Einen Generalisten kann man ihn durchaus nennen. Aber nicht, weil er von allem nichts, sondern weil er von vielem manches versteht. Dass er dies seine Parteifreunde in der Führung immer wieder wissen lassen musste, machte ihm das Leben nicht leichter.

Zum Sinnbild seiner politischen Karriere wurde ein schwerer Sturz beim Radfahren. Erst hatte er kein Glück, und dann kam auch noch Pech hinzu – das wäre vielleicht kein unpassendes Epitaph.

Peter Siebenmorgen

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