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Kanzlerkandidat Peer Steinbrück und SPD-Chef Sigmar Gabriel freuen sich über das Ergebnis der Niedersachen-Wahl.

© dpa

Die SPD nach der Wahl: Attacken auf die Präsidentin

Die Erleichterung ist riesig bei der SPD - das Gefühl ist vorbei, dass gegen Kanzlerin Merkel kein Kraut gewachsen ist. Es ist legitim, dass die Partei nun den Bundesrat als Bühne für ihre Inhalte nutzen will.

Von Hans Monath

Bis Sonntag galt für die SPD der Satz: Ein schlimmerer Start ins Jahr der Bundestagswahl ist schwer vorstellbar als jener, den Peer Steinbrück und seine Partei in den vergangenen drei Wochen erlebt hatten. Seit der Auszählung der Niedersachsen-Wahl gilt der Satz: Manchmal taugt sogar ein schlechter Start als Basis für spätere Erfolge. Natürlich nur unter der Voraussetzung, dass Kanzlerkandidat und Partei daraus die richtigen Lehren ziehen.

Die Erleichterung ist riesig bei den Sozialdemokraten, dass die Patzer und das schlechte Image des eigenen Kanzlerkandidaten den Genossen in Niedersachsen nicht den Machtwechsel verhindert haben. Steinbrück, den manche schon genussvoll zum zwanghaften Titelhelden einer Desaster- Dauerserie ausgerufen hatten, kann nicht von einem Tag auf den anderen alle schlechten Zuschreibungen abschütteln, hat aber nun Luft für einen Neuaufbau.

Vorbei ist auch jenes Gefühl, zu dem sich ehrliche Sozialdemokraten hinter vorgehaltener Hand zuweilen bekannt hatten: dass nämlich gegen Angela Merkel kein Kraut gewachsen sei, dass ihrer hohen Achtung beim Bürger und ihrem Ansehen mit keiner Attacke beizukommen sei. Denn Niedersachsen zeigt der SPD, dass einem äußerst populären Amtsinhaber am Ende die eigenen Umfragewerte nicht die Macht retten, wenn schlicht die Mandate dafür fehlen.

Bestätigt fühlt sich die SPD aber auch in ihrem Versuch, die präsidiale Kanzlerin mit dem Thema soziale Gerechtigkeit auf den Boden der Tatsachen zu holen. Viele Themen, die sie auch für den Bundestagswahlkampf aufbauen, haben die Sozialdemokraten in Niedersachsen erfolgreich ausprobiert. Auch dort versprach Stephan Weil den Mindestlohn, die Zurückdrängung prekärer Beschäftigung, bezahlbare Mieten, Gerechtigkeit im Bildungssystem und höhere Steuern für Vermögende. Die Wähler haben das honoriert, zumindest vertreten manche Demoskopen die These, die höhere SPD-Kompetenz bei der sozialen Gerechtigkeit habe den Ausschlag gegeben.

Die Hoffnung der SPD lautet nun, dass auch einer gleichsam überpolitischen Kanzlerin durch politische Angebote beizukommen ist. Dabei geht es nicht um Attacken auf ihre Person, sondern den Nachweis, dass sie sich um die Erfahrungen und wirklichen Sorgen der Wähler nicht kümmert, dass die SPD mehr versteht vom „Blick von unten“ (Sigmar Gabriel).

Auch den Machtzuwachs im Bundesrat will die SPD zur Werbung für den gesetzlichen Mindestlohn und Attacken auf das Betreuungsgeld nutzen. Es soll keine durchsichtige Inszenierung werden, vor der sich die Bürger angewidert abwenden, wie Gabriels Versprechen eines verantwortlichen Verhaltens deutlich macht. Das Versprechen muss er erst noch einhalten. Aber es ist durchaus legitim, auch diese Bühne für den Streit um die Themen zu nutzen, die vielen Wählern offenbar mindestens ebenso so wichtig sind wie die fahrlässigen Bemerkungen des SPD-Kanzlerkandidaten über das niedrige Einkommen von Politikern in Deutschland. Vielleicht sogar wichtiger.

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