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Meinung: Die Tiefen des Akten-TV

Von Tissy Bruns

Wenn die Generalprobe schief geht, wird die Premiere glanzvoll, sagt ein Bühnenaberglaube. Angewandt auf den kommenden Montag und die Anhörung des Außenministers im VisaAusschuss lässt sich daraus nur der Schluss ziehen: Alles offen. Denn was gestern schief, gut oder gar nicht gelaufen ist, liegt ganz im Auge des Betrachters und jeweiliger Interessen. Ludger Volmer, der ehemalige Staatsminister und Namensgeber des Erlasses, dessen Folgen der Untersuchungsausschuss auf den Grund kommen will, hat mit einer offensiven Vorwärtsverteidigung einen überraschend starken Auftritt geboten. Aber Volmers Verantwortung endet, sachlich und zeitlich, weit vor der des Außenministers. Die Fragen der Opposition haben die insistierende Schärfe unterboten, die jeder Fernsehzuschauer aus den einschlägigen Gerichtsshows kennt. Aber im Visier der Ausschussmitglieder von FDP oder Union ist ja auch nicht Volmer, sondern Fischer; sie haben ihr Pulver gestern sicher noch nicht verschossen.

Und die Live-Übertragung im Fernsehen, die dem Volmer-Tag den besonderen Reiz des Neuen gegeben hat? Die Befürchtungen der Kulturpessimisten, dass mentale Eindrücke stärker wirken als die sachlichen Argumente, haben sich nicht erfüllt. In Gegenteil. Wenn die gestrige Anhörung überhaupt einen nachhaltigen Hinweis für die Anhörung des Außenministers gegeben hat, dann den auf die ideologische Abrüstung der Visa-Affäre. Die These, dass die falsche Visa-Politik und ihre Folgen Ausdruck grüner Überzeugungstäterschaft sind, reicht nicht zum Nachweis der Verletzung von Recht oder Amtspflichten. In diesem Punkt war Volmers Auftritt überzeugend.

Aber die handfesten Frage danach, wer wann in Fischers Außenamt die fatalen Folgen der Visa-Regelungen, von Reiseschutzpässen und Reisebüroverfahren kannte, hat weder Volmers Anhörung noch die der Botschafter und hohen Beamten wirklich ausgeleuchtet. Wer das will, muss sich von den Höhen der Betrachtungen über Zeitgeist oder Multikulti-Denken zu den Mühen der Ebene, von Akten und Verwaltungsvorgängen, herablassen – weil nur das der Wahrheitsfindung dient.

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