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Meinung: Die Tücken des freien Handels Von Ursula Weidenfeld

Es gibt ein paar bittere Erkenntnisse aus dem Handelsstreit zwischen China und Europa um Textilien. Die wichtigste ist, dass der angebliche Streit mit China um Importquoten und Billigkonkurrenz am Ende vor allem ein Krach der europäischen Staaten untereinander war.

Es gibt ein paar bittere Erkenntnisse aus dem Handelsstreit zwischen China und Europa um Textilien. Die wichtigste ist, dass der angebliche Streit mit China um Importquoten und Billigkonkurrenz am Ende vor allem ein Krach der europäischen Staaten untereinander war. Ein Konflikt, der durch das Versagen der europäischen Administration angeheizt wurde. Die Länder Europas haben es nicht geschafft, ihre unterschiedlichen Interessen zusammenzubringen. Die Verwaltung Europas hat es nicht fertig gebracht, eine einmal gefundene Vereinbarung zeitnah in Kraft zu setzen. Erst in letzter Minute erscheint eine Einigung möglich – und das auch nur, weil die Chinesen auf anderen Feldern die Sympathie Europas brauchen.

Seitdem am ersten Januar dieses Jahres die Handelsbarrieren für Textilprodukte aus China gefallen sind, stieg der Import von Kleidung, Stoff und Schuhen von Monat zu Monat im zweistelligen Prozentbereich. Die Länder Europas, in denen die Textilindustrie noch ein wichtiger Wirtschaftszweig ist, bekamen Angst und verlangten Importbeschränkungen, um die heimische Industrie zu schützen. Portugal gehört dazu, Spanien, Italien und Polen. Andere Länder – Deutschland etwa und Schweden –, in denen große Handelskonzerne das Sagen in der Branche haben, gebärdeten sich dagegen als Freihändler reinsten Wassers. Es gehört zur inneren Logik Europas, dass dieselben Länder in ähnlichen Situationen auf dem Binnenmarkt ganz selbstverständlich die Seiten wechseln. Bei der Frage der Freizügigkeit von Arbeitnehmern schwenkt Polen die Fahne des Freihandels, und Deutschland verschanzt sich im Lager der Protektionisten. Mit dem Wachstum des globalen Handels, mit der fairen Integration nicht nur Chinas, sondern auch der Entwicklungsländer Afrikas und Asiens in den Welthandel, wird und muss die weltweite Arbeitsteilung aber zunehmen. Italien und Polen werden sich daran gewöhnen müssen, dass auch ihre Textilindustrie dramatisch schrumpft. Deutschland wird sich daran gewöhnen, dass andere ihre Dienstleistungen in diesem Land anbieten werden. Wenn es im Textilstreit mit China an diesem Montag zu einer Einigung kommt, dann ist dies gekaufte Zeit für Europa. Zeit, die Europa nutzen muss, um seine Haltung zum freien Welthandel zu überdenken. Und um seine Verwaltung auf Vordermann zu bringen.

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