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Meinung: Die vergessene Seuche

Kein Geld, keine Aufklärung: Das HI-Virus breitet sich immer weiter aus

Die Katastrophe ist in vollem Gang. Und die Hilfe hinkt langsam hinterher. Für Millionen Menschen in Afrika südlich der Sahara kommt sie vermutlich ohnehin zu spät. Die Internationale Arbeitsorganisation in Genf rechnet allein in Simbabwe damit, dass bis 2015 rund 40 Prozent der dann arbeitsfähigen Bevölkerung an Aids gestorben sein werden. In Südafrika, Botswana oder Kenia sieht es kaum besser aus.

21 Jahre, nachdem das HI-Virus entdeckt worden ist, breitet sich die Immunschwächekrankheit nahezu ungebremst aus. Allein im vergangenen Jahr haben sich fünf Millionen Menschen neu infiziert. Am stärksten betroffen ist immer Afrika, doch die Infektionsraten steigen heute vor allem in Asien und Osteuropa dramatisch an.

Der Versuch der Vereinten Nationen (UNAids) sowie des Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria mit einer großen Kraftanstrengung den Kampf gegen die Seuche aufnehmen zu wollen, ist ehrenwert. Aber ihr Argument, wenn nun genug Geld ausgegeben werde, um die Krankheit in den Griff zu bekommen, könne man sich Kosten in der Zukunft ersparen, reicht nicht, um genügend Mittel einzuwerben. Wie immer, wenn es um langfristige Politik geht. Kaum eine Regierung ist bereit, langfristige Zusagen zu machen. Und wenn dann nur, wenn sich damit innenpolitisch etwas gewinnen lässt. Wie etwa das Versprechen der amerikanischen Regierung, 15 Milliarden Dollar für die Bekämpfung von Aids auszugeben – allerdings nur, wenn damit die sexuelle Enthaltsamkeit in Entwicklungsländern gefördert wird. Schließlich wollen alle wiedergewählt werden. Deshalb muss der Globale Fonds auch bei jeder Aidskonferenz um Geld dafür betteln, Aids- Kranke in Entwicklungsländern mit Medikamenten versorgen zu dürfen. Und jedes Jahr steht der vor gerade mal 30 Monaten gegründete Fonds wieder vor einer ernsten Finanzkrise.

Aber vielleicht kommen dem Fonds und UNAids nun die dramatischen Zahlen über die Neuinfektionen in Asien und Osteuropa zu Hilfe. Denn im Gegensatz zu Afrika sind dort wichtige Märkte für die USA und Europa gefährdet. Das könnte die Spendenbereitschaft der Industriestaaten beflügeln.

Auf der anderen Seite steht die Ignoranz der meisten betroffenen Regierungen. Nicht zum ersten Mal erlebt die Welt, dass die Seuche dramatisch unterschätzt wird. Bis heute weigern sich einige afrikanische Regierungen, auf die Aidskrise überhaupt zu reagieren.

Selbst in Gesellschaften, in denen 20 Prozent der erwachsenen Bevölkerung mit dem HI-Virus infiziert sind, wird die Krankheit einfach ignoriert – mit verheerenden Folgen. Dasselbe wiederholt sich nun in Asien und Osteuropa. Gerade weil sich Aids dort vor allem bei so genannten Risikogruppen wie Drogenabhängigen oder Prostituierten ausbreitet, wird das Risiko dramatisch unterschätzt. Bisher gibt es in kaum einem asiatischen oder osteuropäischen Staat eine ernst zu nehmende Aidsaufklärungskampagne. Selbst in West-Europa, wo das Problem schon langsam als überwunden gilt, wächst der Leichtsinn. Dabei ist das tödliche Virus gerade dabei, aus dem Osten wieder zurückzukommen.

Der Globale Fonds und UNAids können nichts ausrichten, wenn die betroffenen Regierungen nicht selbst reagieren. Mit Rücksicht auf ihre Gesundheitssysteme müssen sie schnell handeln. Müssen sie Tabus brechen und Drogenabhängigen Zugang zu sauberen Spritzen verschaffen oder für Kondome werben. Die Strategie der USA dürfte sich als Sackgasse erweisen.

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