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Meinung: Die Verkreisung des Quadrats

In der Nahostpolitik steht Angela Merkel zwischen Olmert, Bush und Baker Von Michael Wolffsohn

Die promovierte Physikerin Angela Merkel ist am heutigen Dienstag nicht zu beneiden: Beim Besuch von Israels Premier Ehud Olmert muss sie die Quadratur des Kreises finden – oder die Verkreisung des Quadrats. Berlin begrüßt die Empfehlungen der Baker-Kommission zum Irak, Außenminister Frank- Walter Steinmeier spricht mit Syrien, Olmert und US-Präsident George W. Bush dagegen lehnen Gespräche mit Syrien sowie den Baker-Plan ab.

Das strategische Ziel der BakerKommission ist absolut richtig: „Raus aus dem Irak!“ Drin geblieben sind die US-Truppen zu lange, denn keine Streitkraft der Welt kann irgendwo politisch-administrative Strukturen aufbauen.

Jenseits des Rückzugs ist die unausgesprochene Botschaft der Kommission jedoch ebenso eindeutig wie fatal: Es lohnt sich (Iran), nuklear aufzurüsten und nicht nur die nahöstliche Welt zu erpressen. Es lohnt sich (Syrien), kritische Politiker (nicht nur im Libanon), die einem schaden könnten, umbringen zu lassen. Und es lohnt sich (Hamas-Palästinenser), Israel trotz dessen territorialer Kompromissbereitschaft (Rückzug aus dem Gazastreifen 2005 und entsprechende Ankündigungen bezüglich des Westjordanlandes 2006) unter Raketenbeschuss zu nehmen, um diplomatisch aufgewertet zu werden.

Die von Baker & Co empfohlene Nahost-„Agenda“ solle „aggressiv und diplomatisch“ sein, heißt es. Aber was gilt: „aggressiv“ oder „diplomatisch“?

Schwerer als dieser Widerspruch wiegt, dass zum Beispiel Saudi-Arabien und Ägypten, vom islamistischen Terror destabilisierte (bald liquidierte?) Regime, eine Irak-„Unterstützungsgruppe“ mitbilden sollen. Wer selbst Unterstützung braucht, soll unterstützen? Und was können die USA Syrien bieten? Geld, das Ende der politischen Isolation und die Streichung von der Liste der den Terror unterstützenden Staaten. Will man woanders Terror zulassen, um ihn im Irak zu beenden?

Syrien möchte, dass man es im Libanon nach eigenem Gutdünken gewähren ließe. Das ginge auf Kosten der Christen. Das Signal an die Welt: Je dreister muslimische Staaten gegenüber dem Westen auftreten, desto erfolgreicher sind sie.

Syrien möchte die von Israel seit 1967 besetzten Golanhöhen zurück. Das bedeutet: Israel, der einzig zuverlässige Partner und echte Freund der USA, zahlt den Preis fürs US-Debakel im Irak. Das Signal an die Welt: So behandeln die USA ihre besten Freunde.

Der Iran soll gewonnen werden. Der Preis ist klar: Teheran darf im Gegenzug ungestört Atombomben bauen.

Damit wären die bisherigen arabischen Partner der USA, die sich seit jeher vor iranischer Hegemonie fürchten, wehrlos erpressbar. Gleiches gilt – unter irakisch-schiitischer Dominanz und Regie aus Teheran – für den Irak, sollte er als Einheit fortbestehen.

Diese Einheit wird nicht stabil sein können, denn gegen die iranisch-schiitische Dominanz werden sich Iraks Sunniten und Kurden wehren. Was James Baker verhindern will, tritt ein: eine Eskalation der sunnitisch-schiitischen Konfrontation. Außerdem wird der Kurdenkampf auf den Iran selbst und die Türkei überschwappen. Die Folgen sind vorhersehbar: Die Auflösung der nahöstlichen Staatenwelt, gegen die sich die Kommission stemmt, wird dann erst richtig beginnen.

Mit den Palästinensern – „denen, die Israels Existenzrecht anerkennen“ – will die Kommission direkt verhandeln. Dann freilich nicht mit der Hamas, die, im Gegensatz zu Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, genau diese Vorbedingung nicht zu erfüllen gedenkt. Mit Abbas wird intensiv gesprochen, doch liefern kann er, weil machtlos, nichts. Das bedeutet: Der Passus über die Palästinenser ist eine leere Phrase und eine Aufwertung der Hamas. Das wiederum heißt: Israel kann noch so viel Land räumen, es wird bis zu seiner (Selbst?)-Auflösung keinen Frieden bekommen.

Die Bundeskanzlerin möchte während der deutschen EU-Präsidentschaft den Nahost-„Friedensprozess“ verstärkt fördern. Das ist löblich. Mit dem Baker-Rezept, das sie zu favorisieren scheint, wird sie nicht weit kommen.

Der Autor unterrichtet Geschichte an der Bundeswehruniversität in München.

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